Im Wandel: Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände

Im digitalen Zeitalter kommt es zu einer grundlegenden Transformation der Arbeitswelt. So geht es teilweise um die Beschäftigungsfähigkeit ganzer Branchen! Umso wichtiger ist, dass sich auch die Sozialpartner neu ausrichten und passende Prioritäten setzen. Je früher desto besser.

Zusammenarbeit der Sozialpartner muss ebenfalls transformieren

Der Wandel verändert nicht nur diverse Berufsbilder, sondern auch das Zusammenspiel der Kräfte. Bisher war es Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, für ihre „Klienten“ möglichst gute Konditionen auszuarbeiten. Zum Beispiel hinsichtlich Arbeitszeit, Löhnen oder Urlaubstagen. Heute, in Zeiten der Transformation, geht es um neue Schwerpunkte: Aktuell steht die grundlegende Beschäftigungsfähigkeit in manchen Branchen der Metall- und Elektroindustrie auf dem Tableau, insbesondere in Baden-Württemberg.

Will man auch zukünftig Beschäftigung, müssen die Sozialpartner zusammenarbeiten. Gleichzeitig muss die Basis stimmen: Und das sind in erster Linie gut aufgestellte Unternehmen. Also Unternehmen, die

  1. über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügen, um eine zukunftsfähige Strategie zu erarbeiten,
  2. dann mit ihren Produkten „Arbeitgeber der Zukunft“ sein können und
  3. einen Qualifizierungsgrad bei ihren Beschäftigten haben, der zum zukunftsfähigen Geschäftsmodell passt.

Im Wandel braucht es Partner – keine Kontrahenten

„Alle Beteiligten müssen noch viel mehr über den eigenen Tellerrand hinausschauen und über die eigenen Systemgrenzen zusammenarbeiten. Erst dann gelingt uns der digitale Wandel so gut und umfassend wie möglich.“ Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender Südwestmetall

Dieser Transfer ist aktuell für alle Firmen der M+E-Branche eine Herausforderung. Für manche – zum Beispiel in Bereichen, in denen der digitale Wandel die gesamte Produktpalette obsolet macht – sogar eine Mammutaufgabe. Hört man zu einem solchen Zeitpunkt Aussagen wie: „Manche Unternehmen machen sich gar keine Gedanken, solange die Auftragsbücher voll sind“ – die auf einer Umfrage bei Betriebsräten fußen – fragt man sich, wem diese Provokation dient. Eines ist sie definitiv nicht: lösungsfindend.

Zudem könnte man dem eine Studie des IW Köln entgegen stellen. Diese zeigt, dass Unternehmen sich nicht nur stärker in der Personalentwicklung und Weiterbildung engagieren, wenn sie einen hohen Digitalisierungsgrad aufweisen. Diese „Unternehmen 4.0“ richten ihre personalpolitischen Maßnahmen auch gezielter darauf aus, welche Kompetenzen in der Belegschaft in Zukunft Bedeutung gewinnen. Übrigens ganz unabhängig davon ob ein Betriebsrat existiert oder nicht...

Gemeinsam den Wandel meistern

Fakt ist: Die Unternehmen der M+E-Industrie sind sich darüber im Klaren, dass sie ihre Geschäftsmodelle anpassen oder sogar komplett umbauen müssen. Was sollte in diesem Kontext also auf der Agenda der Sozialpartner stehen?

  • M+E-Unternehmen müssen in den nächsten Jahren noch mehr in die Transformation investieren. Sie müssen beispielsweise ihre Geschäftsmodelle anpassen und jedes mögliche Mitarbeiter-Potenzial mit passenden Aus- und Weiterbildungen heben. Erhebungen zeigen, dass 70 Prozent der M+E-Arbeitgeber in Baden-Württemberg einen steigenen Bedarf an Weiterbildung sehen.
  • Gleichzeitig brauchen die Unternehmen Rückendeckung von Arbeitnehmerseite, um unabhängig eine passende, unternehmerische Strategie entwerfen zu können. Und sie müssen auf eine Tarifentwicklung bauen können, die ihnen den notwendigen finanziellen Spielraum für dessen Umsetzung und den Aufbau passgenauer Weiterbildungen lässt. Hinzukommen müssen ggf. auch Eigenanteile von Beschäftigten bei betrieblicher Qualifizierung zumindest dann, wenn die erworbenen zusätzlichen Qualifikationen den „Marktwert“ des Beschäftigten erhöhen.
  • Auch bleibt es weiterhin wichtig, Mitarbeiter und Führungskräfte vom Wandel und, ganz konkret, der damit verbundenen Weiterbildungsbereitschaft zu überzeugen. In diesem Kontext kann die Arbeitnehmervertretung ihre Strukturen nutzen und wichtige Überzeugungsarbeit bei den Beschäftigten leisten. Dazu zählt auch eine Sensibilisierung dafür, dass Weiterbildung nicht zwingend Aufstieg bedeutet. Weiterbildung bedeutet in Zeiten der Transformation vor allem eines: Beschäftigungssicherung!

Längst überfällige Aufgabe: vorhandene Strukturen mit Leben füllen

Das Gute ist: Wir fangen nicht von vorne an. Es gibt bereits einen Maßnahmen-Katalog, der sowohl Unternehmen als auch Mitarbeitern hilft, sich für den Wandel zu rüsten. Hier könnte es Aufgabe der Arbeitnehmervertretungen sein – konkret der Betriebsräte – als Sprachrohr und „Influencer“ zu dienen.

Ein Beispiel ist der Tarifvertrag zur Qualifizierung für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg (TV Quali), der bereits 2001 abgeschlossen und seitdem mehrmals modernisiert wurde. Mit ihm haben IG Metall und Südwestmetall die wachsende Bedeutung des lebenslangen Lernens erkannt und gemeinsam einen entsprechenden Maßnahmenkatalog verabschiedet.

Die in diesem Kontext ins Leben gerufene "AgenturQ" berät und informiert die Firmen der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg in allen Fragen des „TV Quali“ sowie zu Modellen, Projekten und Fördermaßnahmen der beruflichen Weiterbildung. Die Agentur ist eine paritätisch besetzte Weiterbildungsagentur, die als gemeinsamer Think-Tank fungieren könnte. Dieser sollten zukünftig viel intensiver genutzt werden, um gemeinsam exklusive Lösungen für die Metall- und Elektroindustrie zu erarbeiten – und das ohne Gesetzgeber.

Denn dieser hat im Grunde seinen Beitrag bereits geleistet: Das neue Qualifizierungschancengesetz fokussiert sich auf Qualifizierung in Verbindung mit Digitalisierung. Nur eines fehlt auch hier noch: das Angebot noch weiter den Bedarfen aus der Praxis anzupassen, es bekannter zu machen und von Seiten der Unternehmen und Beschäftigten mit Leben zu füllen.

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