#ShowMEyourdesk mit Hans-Jörg Vollert

Wie wird man vom Ferienjobber zum Eigentümer? Und was haben Weinbergseilbahnen, Fahrradreparaturen und Brunnenbau mit moderner Anlagentechnik für die Betonfertigproduktion und Rangiersystemen für die Güterverladung gemein? Antworten auf diese und weitere spannende Fragen erfahren Sie im Interview mit dem Unternehmer Hans-Jörg Vollert.

Die Firma Vollert Anlagenbau wurde 1925 gegründet und ist bis heute ein Familienunternehmen in dritter Generation. Startpunkt waren Weinbergseilbahnen und der Brunnenbau sowie Dienstleistungen wie Fahrradreparaturen. Heute fußt das Anlagenportfolio auf mehreren Säulen. Ein Standbein sind Maschinen und Anlagen für die Betonfertigteilindustrie. Daneben entwickelt Vollert schlüsselfertige Intralogistikkonzepte für die Aluminium- und Metallindustrie, von vollautomatischen Mega-Hochregalanlagen für Aluminium-Coils bis zu Automatikkransystemen für Großteile und Schwerlasten bis 50 t und mehr. Aber auch Rangiersysteme für Neben- und Anschlussbahnen für das Verziehen von Eisenbahnwaggons und Zügen bilden heute einen wichtigen Markt für Vollert. Die gemeinsamen Wurzeln der Produkte von damals und heute sind das Seil, die Rolle und die Schiene. Das Unternehmen erwirtschaftet weltweit einen Umsatz in Höhe von 70 Millionen Euro und beschäftigt 290 Mitarbeiter (260 davon am Standort Weinsberg). 80 Prozent des Umsatzes wird außerhalb der EU generiert.

1. Mit welchen zwei Sätzen würde man Sie bei Anne Will vorstellen?

Hans-Jörg Vollert ist 47 Jahre alt und Familienunternehmer. Er zählt zu den klassischen engagierten Mittelständlern in Baden-Württemberg.

2. Welche morgendlichen Rituale haben Sie?

Aufstehen ist die Grundvoraussetzung, sonst geht es nicht weiter (lacht). Ich mache jeden Morgen meine fünf Tibeter Übungen für den Rücken. Noch vor dem Frühstück checke ich meine E-Mails. Mein morgendliches Ritual endet mit einer Tasse Tee.

3. Was ist Ihr wichtigstes Arbeitsinstrument und warum?

Das ist das Smartphone. Es ist mein Büro im Taschenformat. Angefangen bei E-Mails über Reise- und Hotelbuchungen bis hin zur privaten und beruflichen Kommunikation – das Smartphone vereint und verbindet meine Welt.

4. Auf welche Entscheidung sind Sie besonders stolz?

Ich bin wirklich stolz darauf, dass ich das Unternehmen bereits mit 29 Jahren übernommen habe. Dafür hatte ich mich damals hoch verschuldet und es war ein durchaus anspruchsvolles Unterfangen – nicht nur aus Familiensicht betrachtet. Als ich mich 1999 dazu entschlossen hatte, war mein Vater bereits sieben Jahre verstorben und mein Onkel führte das Unternehmen. Es gab aber keine klare Nachfolgeregelung. So habe ich den großen Schritt gewagt und bin nicht nur in das Unternehmen eingetreten, sondern habe auch die Familienanteile meines Onkels gekauft.

Ich hatte schon immer einen Faible für Technik und war als Kind fasziniert von der Arbeit meines Vaters. Für mich war klar, dass ich das Familienerbe bewahren möchte. Und danach habe ich mich konsequent ausgerichtet – angefangen mit dem Maschinenbaustudium bis zum heutigen Unternehmertum. Kurzum: Diese Übernahme war mein Lebenstraum und diesen habe ich verwirklicht.

5. Was würde der Welt fehlen, gäbe es Ihr Unternehmen nicht?

Der Welt würde ein verlässlicher Partner bei der Schaffung von sozialem Wohnungsbau fehlen. Auf unseren Anlagen wird dieser kostengünstige Wohnraum hergestellt. Das mag in Deutschland nicht bedeutend sein, aber in Ländern wie Indien ist es das. Auch würde die Welt keine Fertigkeller kennen – sie werden auch auf unseren Anlagen gemacht. Ein weiteres Beispiel: Wenn es uns nicht gäbe, würde es die Gotthardstrecke so nicht so geben, wie wir sie kennen. Die Betonschwellen, die im Gotthard verlegt worden sind, wurden auf unseren Anlagen produziert. Und natürlich würde in Weinsberg ein vernünftiger Arbeitgeber fehlen.

6. Welche sind die Top 2 Bedrohungen Ihres Geschäftsmodells und warum?

Ich sehe nur eine Bedrohung für uns, aber eine gewichtige: Wir kämpfen mit immer mehr Haftungsfragen. Geht beim Kunden in der Produktion auf unseren Anlagen etwas schief, wird ein Schuldiger gesucht. Ein Anlagenbauer, wie wir es sind, ist hierbei eine häufige Anlaufstelle. Wir machen uns umfassend Gedanken über die Sicherheitstechnik, befolgen die gesetzlichen Vorschriften und dennoch werden wir als Lieferant immer wieder angeprangert. Der Kunde ist immer weniger bereit, die Verantwortung für seine Produktion zu übernehmen. Steht die Anlage still, dann müssen wir beweisen, dass wir nicht daran schuld sind. Eines Tages werden wir dieses Risiko finanziell nicht mehr abbilden können. Und ich bin überzeugt davon, dass Haftungsfragen Innovationen hemmen oder gar zerstören. Ein Beispiel: Innovationen für die Welt, die in den Garagen entstanden sind, werden von uns gerne bewundert. Oft haben diese unser Leben ein Stück weit verändert oder erleichtert. Klar ist jedoch, dass der erste Gedanke dieser Köpfe nicht die Sicherheit war. Vielmehr war es die Kreativität, die in konkrete Produkte bzw. Lösungen gegossen wurde.

Die Eigenverantwortung muss deshalb wieder in den Fokus rücken. Schließlich haben wir als Anlagenbauer noch Verordnungen und Gesetze zu erfüllen, so z.B. auch die Maschinenrichtlinie in der EU. Wer denkt, auch hier sei alles geordnet, irrt. Die gleiche Anlage muss nämlich trotz des CE-Kennzeichens in Ländern wie Frankreich oder Belgien anderen, zusätzlichen Anforderungen genügen. Das kostet Geld und Zeit.

7. Wer ist Ihr unternehmerisches Vorbild und was haben Sie von ihm gelernt?

Mein Vorbild ist mein Vater. Was ich von ihm gelernt habe? Wenn man im Leben etwas erreichen möchte, dann muss man dafür hart arbeiten. Und wenn man von anderen Menschen etwas haben möchte, dann muss man bereit sein, ihnen zuerst doppelt so viel zu geben. Damit meinte er nicht finanzielle Mittel. Vielmehr wollte er zum Ausdruck bringen, dass man doppelt so viel einsetzen muss, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Wahrscheinlich endet deshalb meine 35-Stunden-Woche schon jeden Mittwoch (lacht). Selbstständig heißt nämlich auch selbst und ständig.

8. Haben Sie ein Lieblingszitat?

„Freiheit heißt Verantwortung, deshalb fürchten sich so viele vor ihr“ von George Bernard Shaw. Dieses Zitat beschreibt meine Lebenseinstellung. Einerseits habe ich als Unternehmer viele Freiheiten. Andererseits trage ich unheimlich viel Verantwortung. Viele fürchten sich vor Verantwortung und auch vor zu vielen Auswahloptionen. Wenn Konsumenten beispielsweise nur drei Sorten Marmelade im Supermarkt angeboten werden, dann kaufen sie viel Marmelade. Werden ihnen dagegen 100 Sorten angeboten, dann sind sie überfordert und kaufen weniger Marmelade. Und so ist es im wahren Leben auch. Deshalb ist es wichtig, dass wir – die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – den Menschen Freiheit ermöglichen und sie dazu befähigen, das Leben selbstbestimmt zu gestalten. Ein Arbeitgeber ist ebenso wenig verantwortlich für das Lebensglück eines Individuums, wie der Ehepartner oder die Eltern. Nur man selbst ist für das eigene Glück verantwortlich. Diese Verantwortung gilt es zu übernehmen.

9. Was schätzen Sie am Standort Baden-Württemberg?

Ich schätze zum einen die gute Ausbildung und die hohe Loyalität der Mitarbeiter. Letzteres wird bei Vollert sichtbar: Von 260 Mitarbeitern am Standort haben wir 64 Mitarbeiter, die länger als 25 Jahre bei uns sind und 13 Mitarbeiter, die länger als 40 Jahre bei Vollert arbeiten. Wir haben also im Durchschnitt lange Betriebszugehörigkeiten. Aber wir sind trotzdem nicht überaltert. Wir bilden sehr stark aus, unsere Auszubildendenquote liegt bei neun Prozent. Wir achten also auf einen guten und gesunden „Mix“.

Überdies schätze ich die relativ gute Infrastruktur und eine sehr mittelständisch, kleinteilig orientierte Zulieferindustrie. Man muss nicht weit gehen, um einen guten Partner zu finden.

10. Bitte vervollständigen Sie! Digitalisierung ist für mich…...

…...eine riesige Chance für neue Geschäftsmodelle bei Vollert. Früher haben wir die Seile an unseren Anlagen jedes Jahr oder alle zwei Jahre gewechselt. Jetzt werden Betriebsstunden zum Maßstab, sodass wir rechtzeitig auf den Kunden zugehen und ihm mitteilen können, dass ein Wechsel bald fällig wird. Dadurch spart der Kunde unter Umständen Geld.

Aktuell testen wir auch die sogenannte virtuelle Inbetriebnahme. Dank VR-Brillen könnte der Versand von Fotos an den Kunden per WhatsApp bald der Vergangenheit angehören. Stattdessen wollen wir unseren Kunden weltweit Daten auf die Brille spiegeln und ihn virtuell durch unsere Anlagen begleiten. Ob das klappt? Fragen Sie mich bitte in einem halben Jahr (grinst).

Zur Person:

Hans-Jörg Vollert ist 47 Jahre alt, verheiratet und hat 3 Kinder (10, 8 und 6 Jahre alt). Seine Familie ist sein Hobby und sein Unternehmen seine Berufung. Auch deshalb fühlt er sich zur Region Heilbronn sehr verbunden, wenngleich er durchaus bereit war ein „Auslandsstudium“ zum Maschinenbauer im badischen Karlsruhe zu absolvieren. Bereits mit 29 Jahren hat Vollert seinen Lebenstraum verwirklicht, indem er 50 Prozent Anteile am Familienunternehmen seines Großvaters gekauft hatte und im gleichen Jahr auch die Geschäftsführung übernahm. Um die Übernahme macht er kein großes Aufsehen, als „normal und selbstverständlich“ beschreibt er seine damalige Entscheidung und heutige Verantwortung. Eines gibt er jedoch zu, wenn er einen Blick zurück wagt: Es sei ein schönes Gefühl, vom Ferienjobber zum Eigentümer zu „wachsen“. In seinen jungen Jahren engagierte sich Vollert in der evangelischen Jugendarbeit. So war er unter anderem Skilehrer auf Jugendfreizeiten. Das Engagement liegt ihm bis heute am Herzen, weshalb er Mitglied des Arbeitskreises evangelischer Unternehmer (AEU) ist. Überdies begleitet Vollert verschiedene Ehrenämter bei VDMA, IHK und Südwestmetall. Denn er ist überzeugt, dass die Welt nur dann verändert werden kann, wenn man selbst aktiv wird.

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