Versäumnisse bei Emissionsreduzierung dürfen Betriebe nicht belasten

Elf Organisationen der Wirtschaft sehen die im geplanten Luftreinhalteplan vorgesehenen verkehrlichen Beschränkungen in Stuttgart als teilweise unzumutbar, vor allem aber als ungeeignet an, die Emissionen in der Landeshauptstadt dauerhaft zu reduzieren und die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt wesentlich zu verbessern.

Fahrverbote und weitere Verkehrsbeschränkungen allein seien keine Lösung und griffen viel zu kurz.

Erforderlich sei vielmehr ein mittel- und langfristiges Konzept, mit dem sich Stuttgart zu einer der saubersten Städte und zu einem Modell für urbane Mobilität entwickeln könne. Die jetzigen Überlegungen würden hingegen die Gefahr bergen, dass die Versorgung und die Erreichbarkeit der City leiden und viele Unternehmen massiv betroffen wären.

Ein funktionierender Wirtschaftsverkehr für alle sei für die Funktionsfähigkeit einer Metropole wie Stuttgart aber unerlässlich. Solange es kein flächendeckendes Netz von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und keine realistischen Alternativen zum Diesel bei Nutzfahrzeugen, Bussen und Baumaschinen gebe und die Kapazitäten im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu den Zeiten des Berufsverkehrs bereits ausgelastet seien, seien die Wirkungen eines Dieselverbots an Feinstaubalarmtagen unrealistisch und die damit verbundenen negativen Konsequenzen für die Bürger und eine Reihe von Branchen gewichtig.

Zudem beziehe sich der vorgelegte Maßnahmenkatalog zu einseitig auf Verkehr, während weitere Möglichkeiten der Emissionsreduzierung weitgehend außen vor gelassen werden. Ebenso sei zu hinterfragen, warum seitens der Verantwortlichen der Stadt Stuttgart zahlreiche emissionsreduzierenden Maßnahmen nicht ergriffen worden seien, die teils in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entwickelt worden sind. Derartige Versäumnisse aus der Vergangenheit dürften nicht zu Lasten von Menschen und Betrieben gehen.

Ungeachtet dessen stehen die Wirtschaftsorganisationen zu der Notwendigkeit, dass die Luftverhältnisse in Stuttgart besser und die Grenzwerte eingehalten werden müssen. „Wir werden auch in Zukunft gemeinsam mit unseren Unternehmen entsprechende Vorschläge unterbreiten“, sagt IHK-Präsidentin Marjoke Breuning. Für die Akzeptanz bei den Betrieben sei es aber erforderlich, dass alle Branchen gleich behandelt würden. „Die bisherige Begründung, wer vom Fahrverbot ausgenommen wird und wer nicht, ist weder sachlich nachvollziehbar noch logisch.“ Um Diskriminierungen erst gar nicht aufkommen zu lassen, spricht sich die IHK grundsätzlich dafür aus, sämtlichen Wirtschaftsverkehr von den Fahrverbotsregelungen auszunehmen.

Dr. Rainer Dulger, Präsident der Arbeitgeber Baden-Württemberg, plädiert für ein überlegtes Vorgehen: „Ich erwarte bei diesem Thema von der Politik vor allem Vorhersehbarkeit. Das heißt, bei allen denkbaren Maßnahmen muss Bürgern und Betrieben genügend Zeit eingeräumt werden, um sich an veränderte Rahmenbedingungen anpassen zu können. Bei Fahrverboten ab 2018 ist das nicht gewährleistet. Die Diskussion in anderen Städten und Ballungszentren zeigt uns zudem, dass dieses Thema nicht auf Stuttgart beschränkt bleiben wird. Werden aber Stuttgarter Fahrverbote zur Blaupause für andere Städte, werden die Auswirkungen noch viel gravierender sein.“

Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender von Südwestmetall, stößt ins gleiche Horn: „Das Ziel einer nachhaltigen Luftreinhaltung innerhalb der gesetzlichen Grenzen ist richtig und erstrebenswert. Und selbstverständlich unterstützen wir dies auch. Allerdings hätten der Verkehrsminister des Landes und der Stuttgarter OB seit sechs beziehungsweise vier Jahren reichlich Gelegenheit gehabt, erst einmal weit weniger gravierende Maßnahmen in die Wege zu leiten. Jetzt aber solche einschneidenden Maßnahmen wie Fahrverbote quasi von heute auf morgen auszusprechen, schwächt das Vertrauen der Bürger und der Wirtschaft in die Politik.“

Auf die Unverhältnismäßigkeit der Regelungen weist Thomas Hoefling, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart, hin. „Es kann beispielsweise nicht sein, dass Rahmenbedingungen, unter denen vor wenigen Jahren Investitionsentscheidungen getroffen wurden, heute nicht mehr gelten sollen. Unternehmer müssen sich darauf verlassen können, dass sie ihre Fahrzeuge im Rahmen der typischen Fahrzeuglebensdauer nutzen können. Das sind acht bis zehn Jahre. Die bisher vorgesehenen Ausnahmefristen sind absolut unzureichend.“

Mit Blick auf die Sorgen und Nöte der Gewerbebetriebe in Stuttgart, insbesondere des Einzelhandels, dürfen auch funktionierende Kundenbeziehungen und Kundenströme nicht außer Acht gelassen werden. Kurzfristige Fahrverbote treffen in besonderem Maße die privaten Haushalte im Speckgürtel und in der Region, die fortan aus der Stuttgarter Innenstadt ausgeschlossen werden. Aus Sicht der City-Initiative Stuttgart e.V. stellt dies eine unangemessene Härte dar. City-Managerin Bettina Fuchs hierzu: „Die privaten Haushalte können sich nicht alle drei Jahre ein neues Fahrzeug anschaffen.

Wer nicht mehr nach Stuttgart fahren darf, wird sich alternative Einkaufsorte vor den Toren Stuttgarts suchen. Die Folgen sind Kaufkraftverluste und sich weiter beschleunigende Frequenzrückgänge in der City. Das kann von der Politik nicht gewollt sein.“ Die City-Initiative Stuttgart drängt daher darauf, kurzfristig mit der Nassreinigung und dem weiteren Ausbau von Mooswänden und Begrünung zur Senkung der Belastungen fortzufahren und ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Mobilitätsstadt Stuttgart zu entwickeln.

Unterstützung kommt vom Handelsverband Württemberg und deren Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann: „Fahrverbote und/oder Parkgebührenerhöhungen sind der Sargnagel für den ohnehin schwer angeschlagenen stationären Innenstadthandel – wer die Stadt für deren Besucher immer unattraktiver macht, muss sich nicht wundern, wenn die City zunehmend verödet und Kunden auf den Onlinehandel ausweichen.“

Ganz abgesehen davon, „dass Verbote in aller Regel keinen Anreiz bieten, nach den besten Lösungen zu suchen“, betont das geschäftsführende LVI-Vorstandsmitglied Wolfgang Wolf den Wunsch und das Streben nach einer weiteren Verringerung der Schadstoffe: „Dabei dürfen wir auch infrastrukturelle Überlegungen nicht außer Acht lassen, seien es straßenbauliche Maßnahmen, die den Stuttgarter Kessel nennenswert entlasten könnten, sei es eine effizientere, weniger stauträchtige Nutzung der bestehenden Infrastruktur dank optimiertem Verkehrsmanagement und noch besseren Informationssystemen

Jürgen Belian, Verbandsjurist des DEHOGA Baden-Württemberg e.V., Geschäftsstelle Stuttgart, ergänzt: „Selbstverständlich sind nachhaltige Konzepte zur Luftreinhaltung gerade auch für den Tourismusstandort Stuttgart wichtig. Dies sollte aber nicht dazu führen, dass Gäste der Hotellerie sowie Gastronomie plötzlich nicht mehr zu den Betrieben gelangen können. Dies betrifft nicht nur Gäste aus der Region, sondern gerade besonders Geschäftsreisende sowie ausländischen Gäste.“

Die Verbändevertreter fordern von der Landeshauptstadt, folgende Maßnahmen zur Luftverbesserung umzusetzen:

  • Erstellung eines mittel- und langfristigen Konzepts, mit dem Stuttgart zu einem Modell für saubere Luft und urbane Mobilität in der City bei zumutbaren Einschränkungen entwickelt wird.
  • Konkrete Zählung und belastbare statistische Erhebung, wo und wie welcher Wirtschaftsverkehr in Stuttgart stattfindet.
  • Maßnahmen zur Verstetigung des Verkehrsflusses sowie Stau- und Unfallvermeidung.
  • Verbesserung des innerstädtischen Lieferverkehrs und damit verbunden eine Reduktion der Fahrleistungen und der Emissionen.
  • Schaffung von Infrastrukturen für alternative Liefersysteme in Stuttgart zur Feinverteilung von Waren mit Elektrofahrzeugen und Lastenrädern. Einrichtung einer solchen Umschlagsmöglichkeit (Hub) noch im Jahr 2017, Ausbau bis 2020.
  • Ausbau und Förderung des ÖPNV: Stärkung Stadtbahnen durch neue Linien, höhere Taktung, Streckenverlängerungen; Einsatz von Schnellbuslinien; Kapazitätsverbesserung der S-Bahnen; Ausbau des Park-and-Ride-Angebots; Förderung des Rad- und Fußverkehrs.
  • Förderung der Elektromobilität, zum Beispiel durch flächendeckende Ladeinfrastruktur.
  • Verbesserung der finanziellen Ausstattung der SSB AG entsprechend des Luftreinhalteplanentwurfs, um ältere Euro 4- und Euro 5/EEV-Fahrzeuge durch verfügbare Euro 6-Fahrzeuge zu ersetzen.

 

Diese gemeinsame Pressemitteilung von steht auch auf www.stuttgart.ihk.de,
Nr. 3762242.

 

Ansprechpartnerin für die Redaktionen im Auftrag der Organisationen:

IHK Region Stuttgart

Jelena Hauß

Telefon 0711 2005-1488

jelena.hauss@stuttgart.ihk.de

VOILA_REP_ID=C1257761:004A5185