5. Tagung Betriebliches Gesundheitsmanagement

Erstellt am: 06/01/2016

Über 100 Teilnehmer aus den Mitgliedsfirmen folgten am 1. Juni 2016 der Einladung des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, Bezirksgruppe Rhein-Neckar, zur vierstündigen Tagung ‚Betriebliches Gesundheitsmanagement‘ (BGM) im Hotel Sinsheim.

"Durch veränderte Arbeitsbedingungen und immer älter werdende Belegschaften gewinnt ein Betriebliches Gesundheitsmanagement zunehmend mehr an Bedeutung. Insbesondere psychische Störungen sind problematisch, nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Betriebe, die die krankheitsbedingten Fehlzeiten ihrer Beschäftigten bewältigen müssen", schildert Bezirksgruppen-Geschäftsführer Norbert Johnen die Motivation, diese Veranstaltung anzubieten, die nun schon zum fünften Mal stattfand und auch im Herbst 2017 eine Neuauflage erleben wird.

Referenten aus Wissenschaft und Praxis beleuchteten die Thematik, gaben praktische Hinweise auf Präventionsangebote und erläuterten betriebliche Vorgehensweisen.

Vorträge und Diskussion

Der Einführungsvortrag des Heidelberger Professors Dr. Karlheinz Sonntag befasste sich mit dem Thema ‚Psychische Gesundheit – Herausforderung für Betrieb und Beschäftigte‘ Sonntag lehrt und forscht am Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Heidelberg und ist Prorektor für Qualitätsentwicklung. Sonntag, der u. a. mit der Daimler AG ein Bewertungsverfahren für psychische Gesundheit entwickelt hat, verstand es, nicht "aus dem Elfenbeinturm herab", sondern praxisnah über die Brisanz und Aktualität des Themas zu berichten.
 

v.l.: Manfred Kihn (Südwestmetall, Rhein-Neckar), Ralph Goldschmidt, Norbert Johnen (Südwestmetall, Rhein-Neckar), Sabine Wetzel, Kai Schweppe (Südwestmetall, Stuttgart) und Prof. Dr. Karlheinz Sonntag

So erfuhren die Teilnehmer beispielsweise etwas über das zunehmend verbreitete Phänomen "Twittagessen": Pausen werden heutzutage immer mehr zur Kommunikation statt zur Erholung genutzt – ein Indiz für die Auflösungstendenzen von Raum, Zeit und Struktur. Der früher praktizierten klaren Trennung von Arbeit und Freizeit, dem "Arbeiten am fixen Ort zur festen Zeit", folgte das moderne "Arbeite, wann und wo du willst", was jedoch bestimmte Voraussetzungen – heterarchische Organisationen, flexible Teams, Projektarbeit, Ergebnisorientierung und Eigenverantwortung – bedingt.

Generell nehmen kognitive und sozial anspruchsvolle Tätigkeiten zu, körperlich beanspruchende und manuelle dagegen ab, Routinetätigkeiten werden immer weniger. Parallel ist ein Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen zu beobachten, verbunden mit enormen Kosten für die Allgemeinheit von jährlich über acht Milliarden Euro. Die Krankenkassen geben Broschüren zu diesem Thema heraus, die für Personalverantwortliche sehr zu empfehlen sind.

Arbeitgeber können die psychischen Belastungen, die bei entsprechend disponierten Personen eine psychische Erkrankung auslösen können, beeinflussen. In Frage kommt hier u. a. die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz (GPB) – ein Verfahren, das bereits von mehreren Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie eingesetzt wird.
 

Als Interventionen für eine gute Life-Balance nannte Sonntag einige praktische Beispiele:

  • Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements wie Teilzeitverträge, Jobsharing, mobiles Arbeiten, Telearbeitsplätze, Angebot von KITAs, Stresstraining, Sport- und Ernährungsangebote
  • Aussetzung des E-Mail-Verkehrs im Urlaub und nach Feierabend
  • Trainings zur Ausgeglichenheit von Beruf und Privatleben
  • Führungsleitlinien zur Life-Balance


Nicht zu vergessen: Auch die Arbeitnehmer selbst sollten Eigenverantwortung und Achtsamkeit entwickeln, was ihr Gesundheitsverhalten und ihren Lebensstil betrifft.

Fazit der anschließenden Diskussion war, dass es genügend Unterstützungsmöglichkeiten zur Prävention psychischer Erkrankungen gibt. Aber: Das Unternehmen muss dahinterstehen und seine Führungskräfte entsprechend motivieren, damit psychische Erkrankungen frühzeitig erkannt und behandelt werden kann. Denn für eine günstige Heilungsprognose ist die frühzeitige Diagnose einer solchen Erkrankung durch den Facharzt von großer Bedeutung.



Best-Practice-Beispiele

Eines der bei der Tagung vorgestellten Best-Practice-Beispiele kam aus der Firma A. Raymond, Weil am Rhein, einem Traditionsunternehmen mit viel Erfahrung in der Gefährdungsbeurteilung. Raymond ist ein weltweit tätiger Automobilzulieferer mit 1.700 Mitarbeitern in Deutschland, darunter an drei Standorten in Baden-Württemberg. Die Referentin, HR-Managerin  Sabine Wetzel, nannte als Motive für die GPB-Durchführung neben dem eigenen Interesse der Firma an der psychischen Gesundheit seiner Mitarbeiter die Verpflichtung aus dem Arbeitsschutzgesetz sowie eine entsprechende Nachfrage durch verschiedene Behörden. Als recht aufwändig bezeichnete Wetzel den zunächst unternommenen Versuch, das Thema allein zu erarbeiten.

Das Unternehmen entschied sich dann dafür, sich von Südwestmetall-Experten beraten zu lassen und beschloss, nach dem Kurzverfahren Psychische Belastung (KPB) vorzugehen. Eingebunden wurden Mitarbeiter der Arbeitssicherheit, Personalreferenten, der Betriebsrat sowie der Betriebsarzt. Das KPB bietet verschiedene Vorteile. So lässt es sich gut in betriebliche Prozesse einbinden, beteiligt Beschäftigte direkt und ist auch von Laien anwendbar. Zur Bewertung psychischer Belastungsfaktoren wird ein Kriterienkatalog herangezogen, der nur äußere Einflussfaktoren beurteilt, nicht aber das individuelle Empfinden der Mitarbeiter. Sabine Wetzel schilderte die Herausforderung, die die Installation eines solchen Systems an ein Unternehmen stellt und gab auch einige praktische Tipps. So erhält man ihrer Meinung nach die besten Hinweise auf Probleme nicht aus anonymen Befragungen, sondern direkt aus dem Betrieb – von einzelnen Beschäftigten, vom Betriebsrat, Personalreferenten und dem Betriebsarzt. Genau hinsehen sollte man, wenn sich in einem Unternehmensbereich Fluktuation, Beschwerden, Gesundheitsbeeinträchtigungen und Fehlzeiten auffällig häufen.

Ein weiteres Best-Practice-Beispiel wurde von der EvoBus GmbH, Mannheim, vorgestellt. Das Unternehmen, das zum Daimler-Konzern gehört, bietet seinen Beschäftigten eine 'Betriebliche Sozialberatung' an. Ihre Aufgaben sind die Unterstützung von Führungskräften, die sich in einer schwierigen Führungssituation befinden, und die vertrauliche Beratung von Mitarbeitern in einer beruflichen oder privaten Belastungssituation. Bearbeitet werden beispielsweise Fragen bezüglich der beruflichen Rolle und Verantwortung, zur Konfliktlösung, zum sicheren Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitern und über betriebliche Möglichkeiten und Vorgehensweisen in Spannungsfeldern. Solche Spannungsfelder können etwa familiäre, finanzielle oder andere persönliche Schwierigkeiten, psychische Probleme, Spannungen am Arbeitsplatz, Alkohol- oder Drogenprobleme sein. In der Betrieblichen Sozialberatung sind eine interne Sozialberaterin und zwei Betriebliche Suchthelfer, geschulte Mitarbeiter in der Produktion, beschäftigt, die die Betroffenen in den Räumen des Werksärztlichen Dienstes beraten.

Sorge dafür, dass es dir gut geht ...

Abgerundet wurde der Tag durch informative und unterhaltsame Tipps des Sportwissenschaftlers und Experten für Lebenskunst Ralph Goldschmidt zu den Möglichkeiten, wie man wieder "echt gelassen" wird: indem man die eigene Souveränität neu entdeckt. Als Motto gab er den Tagungsteilnehmern mit auf den Weg: "Sorge dafür, dass es dir gut geht … nur wenn es dir gut geht, kannst du der Welt dein Bestes geben!" Dazu empfiehlt es sich, das eigene Leben mit den Bereichen Beziehungen, Beruf, Gesundheit, Vermögen, Wohnen, Umwelt und Freizeit in den Blick zu nehmen. Sieben Handlungskompetenzen stellte Goldschmidt in den Mittelpunkt seiner Ausführungen: Beziehungspflege, Selbstverantwortung, Selbstregulation, Selbstmotivation, Selbstbewusstsein, Selbstakzeptanz und Selbstorganisation.

Die 6. Tagung ‚Betriebliches Gesundheitsmanagement‘ wird voraussichtlich im Herbst 2017 stattfinden.

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