Unsere Schulen müssen für die Digitalisierung fit gemacht werden!

Die Corona-Pandemie hat in Baden-Württemberg für landesweite Schulschließungen gesorgt. Die Schulen mussten in dieser Zeit dafür sorgen, dass die Kinder und Jugendlichen den Unterrichtsstoff zu Hause weiterlernen können. „Dabei konnten viele Erfahrungen mit digitalem Unterrichten und Lernen gesammelt werden“, berichtet der für Bildungspolitik zuständige Südwestmetall-Geschäftsführer Stefan Küpper: „Diese müssen nun konsequent genutzt werden, um das Bildungssystem zu verbessern und auf den digitalen Stand der Zeit zu bringen.“

Küpper listet auf, was jetzt passieren muss: „Die Digitalausstattung in den Schulen muss verbessert werden. Gleichzeitig müssen tragfähige Unterrichtskonzepte entwickelt werden.“ Dafür haben Bund und Länder gemeinsam den ‚Digitalpakt Schule‘ vereinbart. „Hier erwarten wir jetzt von der Politik eine kraftvollere, und vor allem zügigere Umsetzung“, unterstreicht der Bildungsexperte.

Auch für die Unternehmen ist es wichtig, dass die Schulabgänger ausreichend digitale Kenntnisse mitbringen. „Wir sollten jetzt schnell die Dinge stärken, die gut gelaufen sind, und dort nachbessern, wo es noch klemmt“, sagt Martin Thum, Ausbildungsleiter für die 19 deutschen Mahle-Standorte mit rund 13.000 Beschäftigten und Vorsitzender des Arbeitskreises Ausbildung von Südwestmetall: „Ich sage ganz klar: Einen Weg zurück in eine rein analoge Schule kann es nicht geben. Wir müssen den Weg der Digitalisierung der Bildungseinrichtungen nun konsequent weitergehen.“ Thum weiß aus eigener Erfahrung, dass Lehrer wegen fehlender technischer Ausstattung an den Schulen teilweise das Privathandy oder den eigenen Computer nebst privater E-Mail-Adresse nutzen mussten, um während des Lockdowns Kontakt mit ihren Schülern zu halten: „Da sage ich schlichtweg, sowas geht einfach nicht. Bei uns im Betrieb haben wir einen Dienstleister, der die Hard- und Software für uns so aufbereitet, dass unsere Fachbereiche Rechner haben, die am Firmennetz hängen, und dass wir Firmen-E-Mail-Adressen haben. Meine Vorstellung ist, dass die Lehrer vom Land ebenfalls so ausgestattet werden. Das Lehrpersonal braucht endlich eine zeitgemäße technische Ausstattung, mit der digitales Lernen auch wirklich machbar ist.“

Immerhin gibt es erste Fortschritte: So hat die baden-württembergische Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann jüngst erreicht, dass der Bund den Ländern und Kommunen beim Digitalpakt nun ein beschleunigtes Antragsverfahren ermöglicht. Die Schulträger und Schulen in freier Trägerschaft können jetzt ihre Anträge ohne Medienentwicklungspläne einreichen. Er kann später nachgereicht werden.

Damit der ‚Digital Turn“ in den Schulen gelingt, müssen aber auch die Lehrkräfte auf breiter Front für digitale Medien und Tools fit gemacht werden. „Neue digitale Formate der Lehrkräftefortbildung sollten deshalb mit Priorität vorangetrieben werden“, sagt Küpper: „Diese Qualifizierungsoffensive kann dann auch mit Angeboten aus der Wirtschaft kombiniert werden.“ Auch der Aufbau einer schulischen Digitalplattform in Baden-Württemberg muss bei allen Rückschlägen der Vergangenheit jetzt endlich zum Abschluss gebracht werden.

Einsatz von digitalen Geräten in einer deutschen Schule

Dänemark und Deutschland im Vergleich.

„Hochschulen müssen sich besser im Bereich des digitalen Lernens und Lehrens aufstellen“

Die Corona-Pandemie hat die Hochschulen in Baden-Württemberg dazu gezwungen, ihre Lehrveranstaltungen rein digital anzubieten. „Dabei konnten die Hochschulen wertvolle Erfahrungen sammeln“, weiß der zuständige Südwestmetall-Referatsleiter Matthias Toepfer: „Diese einzigartige Situation muss nun genutzt werden, damit sich die Hochschulen noch besser im Bereich digitalen Lernens und Lehrens aufstellen.“

Die Digitalisierung der Hochschullehre und der Studierendenservices ist allerdings sehr ressourcenintensiv. Die IT-Infrastruktur und -Ausstattung müssen ausgebaut, ausreichend Software-Lizenzen bereitgestellt, der mediendidaktische Support entsprechend erweitert sowie digitale Beratungs- und Betreuungsangebote für Studierende aufgebaut werden.

„Baden-Württemberg sollte die Hochschulen bei der Digitalisierung deshalb finanziell noch stärker unterstützen“, meint Toepfer. Das Land hat dafür jüngst zwar 40 Millionen Euro bereitgestellt. Dies gleicht aber lediglich die Mehrbedarfe der Hochschulen aus, die einen Online-Studienbetrieb im Sommersemester 2020 ermöglicht haben und hierbei in finanzielle Vorleistung gegangen sind. Für eine nachhaltige und erfolgreiche Digitalisierung der Hochschulen müssen die Mittel aber verstetigt werden. Für Toepfer ist deshalb klar: „Für die Hochschulen ist ein Digitalpakt mit längerer Laufzeit notwendig.“

„Das Land muss die Betriebe dringend bei der Ausbildung unterstützen“

Die baden-württembergische Metall- und Elektroindustrie (M+E) gehört traditionell zu den großen Ausbildungsbranchen im Land. „Allerdings hinterlässt die Corona-Krise auch auf dem Ausbildungsmarkt ihre Spuren“, weiß der für Ausbildungsfragen zuständige Südwestmetall-Geschäftsführer Stefan Küpper. Unter dem Druck der Wirtschaftskrise plant derzeit ein Drittel der Südwestmetall-Mitgliedsunternehmen im bevorstehenden sowie im darauffolgenden Ausbildungsjahr, seine Ausbildungskapazitäten zu verringern. „Der Staat muss die Unternehmen deshalb in ihren Ausbildungsbemühungen noch mehr unterstützen“, fordert er.

Denn gerade für die baden-württembergische M+E-Industrie tut sich hier im Moment eine gewaltige Förderlücke auf. „Die jüngst verabschiedeten Bundeshilfen für Betriebe, die in der Corona-Krise ausbilden, beschränken sich nur auf Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten“, berichtet Küpper: „In der M+E-Industrie entfallen aber rund 85 Prozent der Ausbildungsplätze auf Betriebe mit mehr Beschäftigten. An ihnen geht das Förderprogramm also komplett vorbei. Deshalb brauchen wir dringend ein ergänzendes Programm des Landes für Betriebe ab 250 Beschäftigten.“

„Berufliche Orientierung muss nun wieder neu belebt werden“

Die Corona-Pandemie erschwert den Kontakt der Ausbildungsbetriebe zu den Jugendlichen im Moment massiv: Die Berufliche Orientierung über Schulkooperationen und Betriebspraktika ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. „Das bringt Betriebe, die trotz der Corona-Krise händeringend nach Nachwuchs suchen, in Bedrängnis“, berichtet der zuständige Südwestmetall-Referatsleiter Johannes Krumme: „Auch wenn sich vereinzelte digitale Berufsorientierungsformate durchaus bewährt haben, konnten diese den Ausfall nicht annähernd ausgleichen. Deshalb muss die Berufliche Orientierung nun wieder neu belebt und dabei gleichzeitig modernisiert werden.“

Martin Thum, Ausbildungsleiter für die deutschen Mahle-Standorte und Vorsitzender des Arbeitskreises Ausbildung von Südwestmetall, sieht das ebenso: „Ich bin überzeugt, dass wir für die Schulen ab Herbst dringend wieder Angebote haben müssen. Aber die können vermutlich nicht so aussehen, wie wir das bisher gewohnt waren: Also, dass wir Schülergruppen im Betrieb begrüßen oder Schülerpraktikanten in den Abteilungen oder der Ausbildungswerkstatt einplanen. Denn selbstverständlich arbeiten wir noch im Corona-Präventions-Modus.“ Deshalb werde man bei der Beruflichen Orientierung voraussichtlich Mischformate aus analogen und digitalen Inhalten anbieten müssen, erläutert Thum: „So könnte der Austausch mit anderen Auszubildenden oder Studierenden aus dem Hause Mahle zum Beispiel über digitale Kanäle erfolgen. Eventuell können wir auch wieder einige Führungen im Haus anbieten. Aber klar ist: Die Berufliche Orientierung in Corona-Zeiten bleibt eine echte Herausforderung.“ Auch Krumme betont: „Neben den bewährten Formaten der Berufsorientierung müssen dringend neue digitale Wege beschritten werden. Dafür gilt es jetzt, die entsprechenden Programme aufzulegen.“ Die baden-württembergische Landesregierung müsse dafür nun mit Verbänden und Kammern, der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und mit dem von den baden-württembergischen Arbeitgeberverbänden getragenen Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT gemeinsam die Kräfte bündeln.

„Einstiegsqualifizierungen müssen jetzt unbürokratisch für marktbenachteiligte Jugendlichen geöffnet werden“

Nicht jeder Jugendliche ist nach dem Schulabschluss fit für eine duale Ausbildung. Viele leistungsschwächere Jugendliche brauchen Einstiegsmöglichkeiten beispielsweise in Form von Teilqualifikationen und zweijährigen Berufen – mit Anschlussmöglichkeiten für die dreijährigen Ausbildungsberufe. „Hier hat sich das Instrument der Einstiegsqualifizierungen (EQ) bewährt“, berichtet der zuständige Südwestmetall-Referent Johannes Krumme: „Es hat sich als eine tragfähige Brücke für leistungsschwächere Jugendliche in der Ausbildung erwiesen.“

Mit der Corona-Krise kommt nun ein weiteres Einsatzgebiet für die Einstiegsqualifizierungen hinzu. Denn durch die heftige Wirtschaftskrise im Gefolge der Pandemie wird die Zahl der Ausbildungsplätze wohl vorübergehend abnehmen. „Neben der bisherigen EQ-Zielgruppe rücken damit auch junge Menschen ins Blickfeld, die aufgrund der derzeit schlechten wirtschaftlichen Lage keinen Ausbildungsplatz finden können“, erläutert Krumme. Und er fordert: „Einstiegsqualifizierungen müssen jetzt unbürokratisch für marktbenachteiligte Jugendlichen geöffnet und stärker mit dem ersten Ausbildungsjahr synchronisiert werden. Damit kann auch für Betriebe eine tragfähige Brücke geschlagen werden, um die Krisenzeit zu überbrücken.“

„Wir brauchen Überbrückungsmöglichkeiten für MINT-Hochschulabsolventen“

Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise macht auch für Hochschulabsolventen die Stellensuche im Moment schwieriger. Das gilt selbst für Absolventen aus dem sonst eigentlich von Arbeitgebern stark nachgefragten MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Gab es in Baden-Württemberg im vergangenen Herbst noch 264 offene MINT-Stellen je 100 Arbeitslose im MINT-Segment, waren es dieses Frühjahr nur noch 150 Jobangebote. „Doch das Bild wird sich nach Auslaufen der Krise mit Sicherheit wieder drehen“, sagt der zuständige Südwestmetall-Referatsleiter Matthias Toepfer: „Dann wird der Fachkräftemangel im MINT-Sektor wieder deutlich zunehmen und erneut zu einer Wachstumsbremse für die Unternehmen werden. Daher brauchen wir jetzt Überbrückungsmöglichkeiten für die MINT-Hochschulabsolventen, die aktuell vom Arbeitsmarkt nicht aufgenommen werden.“

Toepfer weiß auch, was jetzt zu tun ist: „Die baden-württembergische Landesregierung muss ihr bereits in der vergangenen großen Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahre 2009 sehr erfolgreich durchgeführtes MINT-Sofortprogramm wieder aufsetzen.“ Im Rahmen dieses Programms können sich MINT-Absolventen ein Jahr lang in wissenschaftlichen Hochschulprojekten und in Kooperation mit Unternehmen weiterqualifizieren und Berufserfahrung sammeln. „Damit würden MINT-Fachkräfte im Land gehalten und der Technologietransfer an den Hochschulen gestärkt“, sagt Toepfer.

„Bei der Weiterqualifizierung muss das Land in Corona-Zeiten auch eigene Akzente setzen“

Die Metall- und Elektroindustrie (M+E) steht im Hinblick auf Digitalisierung und Dekarbonisierung vor gewaltigen Umbrüchen. Der grundlegende Wandel macht auch weitreichende Qualifizierungen der Mitarbeiter nötig. „Selbst in Corona-Zeiten läuft diese Weiterqualifizierung unter erschwerten Bedingungen weiter“, berichtet der zuständige Südwestmetall-Referatsleiter Thorsten Würth: „Es gibt hier gute Beispiele, so beispielsweise beim Automobilzulieferer ElringKlinger in Dettingen an der Erms.“ Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, die gesamte Belegschaft für die Anforderungen der Elektromobilität fit zu machen. Gemeinsam mit dem Bildungswerk der baden-württembergischen Wirtschaft wurde ein umfassendes Qualifizierungsprogramm für Mitarbeiter in Kurzarbeit entwickelt.

Würth sieht aber bei der Weiterqualifizierung in Corona-Zeiten auch die baden-württembergische Landespolitik verstärkt in der Pflicht: „Jetzt gilt es, auf Landesebene weitere Akzente zu setzen. So könnte mit einem eigenen Förderprogramm des Landes zur Qualifizierung während der Kurzarbeit, das die Programme der Bundesagentur für Arbeit sinnvoll ergänzt, die aktuelle Situation optimal zum Kompetenzaufbau genutzt werden.“ Ein Landesprogramm könnte zudem die Unterstützung von Personalverantwortlichen und Fachvorgesetzten in kleinen und mittleren Unternehmen bei der Personal- und Organisationsentwicklung in den Blick nehmen.

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