#ShowMEyourdesk mit Emese Weissenbacher

Emese Weissenbacher hat einen beeindruckenden Weg hinter sich: Die gebürtige Ungarin flüchtete 1986 mit ihrem Mann aus Rumänien vor der Ceaușescu-Diktatur und begann in Deutschland ein neues Leben. Bei MANN+HUMMEL in Ludwigsburg startete sie als Praktikantin. Heute ist Weissenbacher Finanzgeschäftsführerin (CFO) der Unternehmensgruppe. Parallel zu ihrem Aufstieg zog sie ihre beiden Kinder auf. Welche Rolle Disziplin auf ihrem Weg nach oben spielte, warum sie als Kind immer Mutter werden wollte und wie wichtig die Menschen in Baden-Württemberg für ihr Leben waren? Das und noch viel mehr verrät sie uns im Interview.

1. Wie würden Ihre Kinder Sie vorstellen?

Meine beiden Kinder beschreiben mich als eine Frau mit zwei Seiten. Einerseits bin ich eine sehr softe, liebevolle und warmherzige Mutter. Andererseits kann ich aber auch sehr streng und konsequent sein. Allerdings immer verbunden mit Vertrauen. Das war ich vor allem, wenn es um Schule, Lernen und Arbeit ging.

2. Was wollten Sie mit 10 Jahren werden und was arbeiten Sie heute?

Ich wollte von klein auf immer nur Mutter werden. Meine Mama hat in einer Kinderkrippe in Rumänien als Erzieherin für Kinder bis drei Jahre gearbeitet. Meine Schulferien habe ich bei meiner Mutter in der Krippe verbracht. Ich habe es sehr genossen mit den Kindern zusammen zu sein. Deshalb wollte ich auch jung Mutter werden. Mit Erfolg: Als mein Sohn auf die Welt kam, war ich 23. Als meine Tochter auf die Welt kam war ich 26.

Ich habe sowohl in Rumänien als auch später in Stuttgart BWL studiert. Danach habe ich 1994 als Praktikantin bei MANN+HUMMEL angefangen. Das war für mich der Türöffner, über den ich mich beweisen konnte. Nach vier Monaten habe ich einen unbefristeten Arbeitsvertrag im Controlling bekommen und das entwickelte sich dann Schritt für Schritt weiter. 2015 wurde ich zur CFO der Unternehmensgruppe.

3. Welche drei Menschen beeindrucken Sie und warum?

Zuallererst sind das meine Eltern. Sie haben mir Werte vermittelt, die mich bis heute prägen und begleiten. Dazu gehören die Liebe zum Menschen und zur Arbeit. Aber auch die nötige Demut vor dem Leben zu haben. Und vor allen Dingen, sich gegenseitig zu respektieren.

Geprägt und beeindruckt hat mich auch meine Basketballtrainerin, die mich in Rumänien von meinem 8. bis zum 18. Lebensjahr trainiert hat. Sie hat mir vor allem gezeigt, wie wichtig ein Team ist. Als gute Einzelspielerin gewinnt man kein Spiel - vor allem nicht auf einem so hohen, professionellen Bundesliga-Niveau, auf dem wir gespielt haben. Ich habe durch meine Trainerin gelernt, dass es viel Arbeit bedeutet, ein solches Team aufzubauen und immer neu zu motivieren. Da ist es nicht mit kurzen Einzelmaßnahmen getan, sondern es ist ein nachhaltiger Prozess. Dafür benötigt man die Einstellung niemals aufzugeben und auch die nötige Disziplin und Konsequenz. Eigenschaften, die ich auch heute für wichtig erachte.

Disziplin, Konsequenz und harte Arbeit hat mir auch mein Mathematiklehrer im Gymnasium beigebracht. Ohne diese Grundtugenden geht es nicht, und ohne den Willen zu Lernen gibt es keinen Erfolg. Man sollte im Leben nicht mit einem Lottogewinn rechnen.

4. Sind Sie eher Bewahrer oder Innovator, Anleger oder Sparer, Lokalpatriot oder Weltenbummler?

Ich finde es schwer, mich in eine dieser Kategorien einzuordnen. Ich weiß beispielsweise nicht, ob ich sehr innovativ bin, allerdings bin ich auch kein Bewahrer. Deshalb würde ich das etwas anders definieren und sagen: Ich bin Gestalterin. Mir ist wichtig, dass unsere Prozesse zukunftsorientiert aufgesetzt werden, „state-of-the-art“ sind und der zukünftigen Strategie des Unternehmens entsprechen. Dabei soll mein Team bei der Ausarbeitung der Firmenstrategie eine aktive Rolle und Verantwortung übernehmen. Ich möchte nicht nur als passiver Berater wahrgenommen werden, der hinweist, wo Prozesse verbessert werden können. Stattdessen will ich daran beteiligt sein, Maßnahmen zu definieren und diese auch umzusetzen.

5. Welches Thema verfolgen Sie aktuell in den Medien am intensivsten, weil es Sie persönlich beschäftigt?

Eindeutig die Integration geflüchteter Menschen. Das hat mit meiner eigenen Biografie zu tun, denn ich habe das selbst erlebt, als ich 1986 aus Rumänien wegen der Ceaușescu-Diktatur nach Deutschland geflohen bin. Damals ging es gar nicht darum, dass wir wirtschaftlich nicht gut leben konnten. Mich hat am meisten gestört, dass wir nicht reisen und unsere Meinung nicht frei äußern durften. Außerdem gehörte ich als Ungarin zu einer Minderheit in Rumänien, damit waren unsere wirtschaftlichen und politischen Nachteile noch größer. Wir müssen uns die Frage stellen, wie es sein kann, dass sich die dritte Generation der Ausländer in einem freien Land radikalisiert. Ich denke, wir haben es als Gesellschaft bei der Integration der damaligen Gastarbeiter nicht geschafft, klare Rahmenbedingungen festzulegen. Aber nur damit kann Integration erfolgreich sein. Es geht darum, Geflüchteten klare Perspektiven aufzuzeigen, ohne illusorische Versprechen.

Nehmen Sie mich als Beispiel. Ich hätte meinen Weg nie machen können, wenn mich niemand an die Hand genommen hätte. Gleichzeitig musste ich aber bereit sein, die Pflichten hier zu erfüllen und mich anzupassen. Der gegenseitige Respekt und das Verständnis, dass es für beide Seiten ein Geben und ein Nehmen ist, sind extrem wichtig.

6. Stichwort New Work: Was verbinden Sie damit und was ist das für Sie konkret?

Mit New Work verbinde ich in erster Linie die junge Generation neuer Mitarbeiter. Nach meinen Beobachtungen haben diese jungen Menschen eine andere Einstellung zur Arbeit. Für sie ist es sehr wichtig, dass sie mit ihrem Handeln Sinn stiften. Darauf müssen wir uns als Arbeitgeber einstellen. Wir bieten zum Beispiel unseren Mitarbeitern einmal jährlich eine Plattform, in der sie eigene Produktideen präsentieren können. Daraus wählen wir dann fünf Mitarbeiter aus, die wir ins Silicon Valley schicken. Dort lernen die Mitarbeiter diese neue Arbeitswelt und Arbeitsmethoden hautnah kennen. Dier Ergebnisse bringen die Teilnehmer dann mit zurück ins Unternehmen und wir überlegen, wie wir daraus Produkte und neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Mit „New Work“ ist auch die Digitalisierung eng verknüpft. Das bedeutet für mich vor allem ein enges und vernetztes Arbeiten. Menschen haben die Möglichkeit, ihre Arbeit und ihr Know-how weltweit anzubieten.

7. Wie wird sich diese neue Arbeitswelt auf die neuen Jobprofile auswirken?

Jede Veränderung bietet Chancen, aber nicht jeder wird dabei glücklich sein. Durch die Digitalisierung werden neue Jobs entstehen, aber auch Aufgaben verschwinden. Im Finanzbereich wird mit Sicherheit das Jobprofil des Buchhalters in fünf Jahren verschwunden sein. Entweder, weil der Prozess digital durchlaufen wird oder weil ein Roboter dazwischengeschaltet ist, der die Aufgaben übernehmen kann.

So könnten wir jeden Funktionsbereich durchgehen und Jobs finden, die nicht mehr von Menschen ausgeübt werden müssen. Die Herausforderung wird es sein, die Mitarbeiter neu zu qualifizieren und für andere Aufgaben zu begeistern.

8. Wo sehen Sie unsere Sozialsysteme in 10 Jahren?

Leider habe ich meine Kristallkugel nicht dabei, deshalb weiß ich das nicht (lacht). Wir müssen aber einen Weg finden, in dem jeder Teilnehmer einer Gesellschaft in Würde leben kann. Ökonomisch Schwache müssen immer aufgefangen werden. Die Frage ist: Wer sind Ökonomisch Schwache? An dieser Definition scheitern wir heute. Dieses Auffangen darf nicht dazu führen, dass irgendjemand seine Selbstverantwortung abgeben kann. Es wird nie ein System geben, das jeden glücklich macht.

9. Älter werden ist für mich…

… reifer, entspannter, weiser, heiterer zu werden, die Leichtigkeit des Seins zu leben. Und ich hoffe, ich behalte immer meine Neugier, neue Sachen kennenlernen zu wollen.

10. Was schätzen Sie am Unternehmensstandort Ludwigsburg?

Die Menschen. Ohne sie hätte ich den Weg nicht geschafft. Ob das mein Deutschlehrer in der Sprachschule war, der sagte, ich solle lieber die Stuttgarter Zeitung, die FAZ oder den Spiegel lesen anstatt Bild.
Oder meine Kommilitonin, die meine Diplomarbeit wochenlang korrigiert hat und jeden einzelnen Satz zehnmal mit mir durchgekaut hat. Oder die Mutter eines Kindes im Kindergarten meines Sohnes, die mir geholfen hat, meine erste Bewerbung zu schreiben… Es gab und gibt unzählige tolle Menschen, die mich an die Hand genommen und geführt haben. Das habe ich Baden-Württemberg und Ludwigsburg zu verdanken.

Über MANN+HUMMEL:

Das Ludwigsburger Familienunternehmen MANN+HUMMEL ist Weltmarktführer für Filtration. Die Unternehmensgruppe entwickelt Lösungen für Automobile, industrielle Anwendungen, saubere Luft und die nachhaltige Nutzung von Wasser. Mit über 20.000 Mitarbeitern an weltweit über 80 Standorten, erwirtschaftete das Unternehmen 2017 einen Umsatz von rund 3,9 Milliarden Euro. Zu den Produkten gehören unter anderem Luftfiltersysteme, Saugsysteme, Flüssigkeitsfiltersysteme, technische Kunststoffteile und Industriefilter.

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