#ShowMEyourdesk mit Christian Wehrle

Seine Bodenständigkeit und sein starker Bezug zur Praxis zeichneten ihn bereits als Schüler aus: Während viele seiner Mitabiturienten vor allem Wert auf theoretisches Wissen legten, entschied sich Christian Wehrle bewusst zuerst für eine Lehre. Denn er wollte im besten Sinne ein „Schaffer“ und kein „Theoretiker“ sein. Mit der dabei gewonnenen Praxiserfahrung im Gepäck verschlug es ihn dann aber doch an die Technische Universität München zum Maschinenbau-Studium. Mittlerweile ist der dreifache Familienvater einer von vier BITZER Vorstandsmitgliedern und arbeitet qua Jobbeschreibung viel vom Schreibtisch aus. Allerdings liebt er es nach wie vor besonders, wenn er in der Produktion ist und die Maschinen hört. Als Topmanager plant Christian Wehrle stets voraus und gestaltet die Zukunft von BITZER, indem er das Unternehmen unter anderem in den Bereichen Digitalisierung, Produktinnovationen und neue Serviceleistungen vorantreibt. Gleichzeitig gilt für ihn in der Fertigung das Prinzip: just-in-time.

1. Wie würden Ihre Kinder Sie vorstellen?

Weil ich wusste, dass diese Frage kommt, habe ich meine Kinder gebeten, sie zu beantworten. Meine Älteste, Ramona, sagte: "Mein Papa ist optimistisch, bescheiden, er arbeitet viel, ist zukunftsorientiert und immer am Optimieren." Meine 19-jährigen Zwillinge Sandra und Alexander meinten – Sandra zuerst: "Mein Papa hat immer gute Laune, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Er verliert nie seine Ziele aus den Augen und ist deshalb ein Vorbild für mich. Weil er positiv denkt, ist das Glas für ihn immer halb voll." Und Alexander schrieb: "Mein Vater ist jemand, der immer mit Optimismus, aber auch mit viel Verstand in die Zukunft blickt. Außerdem macht er seine Arbeit stets mit Freude und ist seinen Prinzipien stets treu. Er ist aber auch der typische fürsorgliche und verständnisvolle Familienvater. Wichtig für ihn war es immer, dass seine Kinder wissen, dass er für sie da ist."

2. Was wollten Sie mit zehn Jahren werden und was arbeiten Sie heute?

Im Alter von zehn Jahren hatte ich überhaupt keine Ahnung von meiner beruflichen Zukunft. Das einzige, was ich damals wollte, war: raus aus dem Klassenzimmer, ab nach Hause und dann schnell zum Fußballspielen, ins Freibad, auf Bäume klettern, Radfahren ... Welchen Beruf ich mal ergreifen wollte – das war kein Thema meiner Kindheit. Umso einfacher lässt sich der zweite Teil Ihrer Frage beantworten: Heute bin ich Vorstandsmitglied und Chief Operations Officer bei BITZER.

3. Welche drei Menschen beeindrucken Sie am meisten und warum?

Beeindruckendes mache ich nicht an bestimmten Personen fest. Vielmehr gibt es von vielen Personen einzelne Dinge, die mich beeindrucken. Das kann auch etwas relativ Unauffälliges sein. Wenn ich zum Beispiel bei einem Menschen erkenne, wie zufrieden er ist, wie er in sich ruht – das imponiert mir. Oder wenn jemand ohne Not einen Fehler zugibt und offen sagt: "Das war Mist" oder: "Das war nicht sein oder ihr Fehler, sondern meiner." Natürlich bewundere ich auch die Lebensleistung von echten Persönlichkeiten. Wie die unseres langjährigen früheren Geschäftsführers Senator Peter Schaufler. Oder den Ehrgeiz seiner 83-jährigen Witwe, die nach dem Tod ihres Ehemannes quasi neu in unser Unternehmen eingestiegen ist. Wirklich nachhaltig beeindrucken mich aber weniger die Namen, sondern die kleinen und großen Dinge, die man sich aus dem Handeln anderer für das eigene Leben ableiten kann.

4. Sind Sie eher der Bewahrer oder der Innovator, Anleger oder Sparer, der Lokalpatriot oder Weltenbummler?

In Kategorien zu denken finde ich schwierig. Ich sehe mich als jemanden, der Innovation fordert und fördert, insbesondere wenn es um Prozesse und Produkte geht. Auf der anderen Seite finde ich es aber genauso wichtig, Bewahrer zu sein, zum Beispiel wenn es um die traditionellen BITZER Werte wie Lösungs- und Kundenorientierung, Vertrauenswürdigkeit sowie Premiumqualität geht. Denn die gelten heute im modernen Arbeitsprozess noch genauso wie früher. Dabei die richtige Mischung zu finden, ist eines meiner Ziele. Gleiches gilt für das Thema „Anleger oder Sparer“. Natürlich investieren wir in Innovationen, Prozesse, Produkte. Aber auf der anderen Seite müssen wir mit unseren wichtigen Ressourcen, allen voran den Menschen und der Umwelt, behutsam umgehen. Es gilt also, auch im Rahmen der Investitionen das Sparen im Blick zu behalten. Und zuletzt: Weltenbummler oder Lokalpatriot? Die Antwort lautet: think global – act local. Wir bei BITZER denken global, wollen aber immer die lokalen Besonderheiten im Blick haben, wie die individuellen ökonomischen Parameter, Ausbildungsniveaus, Technikstandards ...

5. Welches Thema verfolgen Sie in den Medien am intensivsten, weil es Sie persönlich beschäftigt?

Wie viele andere beschäftigt mich gerade das ganze Thema mit Trump und seine Vorstellungen der Weltwirtschaft. Ich bin klassischer Marktwirtschaftler: Der Kunde soll entscheiden, was er kaufen möchte. Natürlich brauchen wir Regeln und Leitplanken und gewisse Rahmenbedingungen, aber innerhalb dieser bin ich eher für eine größtmögliche Weltoffenheit.

6. Stichwort New Work: Was verbinden Sie damit und was heißt das für Sie konkret?

"New Work" beschreibt den Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Ich denke, dass in diesem Zuge vor allem die Individualisierbarkeit von Produkten eine immer größere Rolle spielen wird – in der Herstellung ebenso wie in der Anwendung. Wir entwickeln uns also mehr und mehr in Richtung eines "on-demand-business". Dafür benötigen wir schnelle und flexible Komplettlieferketten. Hinzu sollten eine Politik sowie Tarifparteien kommen, die verstehen, dass wir vielleicht auch mal in einer Woche sieben Tage und in der nächste dafür nur drei arbeiten müssen – "on demand" eben. Ich habe hier oft das Gefühl, dass unsere Mitarbeiter bei diesen Themen schon viel offener und moderner sind als andere beteiligte Parteien.

"New Work" fordert aber ebenso den Blick nach innen. Will man auch in Zukunft qualifiziertes Personal rekrutieren, muss man auf dessen Wünsche eingehen. Zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, flexible Arbeitszeiten, moderne und offene Büro- sowie Teamkonzepte, flache Hierarchien und vieles mehr. Alle internen und externen Ansprüche im Blick zu haben, ist dabei eine der großen Herausforderungen.

7. Und wird sich diese neue Arbeitswelt auf die Jobprofile auswirken?

Es hat sich ja schon sehr viel verändert. Früher gab es einen Mechaniker und einen Elektriker – da waren die Aufgaben ganz klar verteilt. Heute gibt es bereits in der Ausbildung, vor allem im Studium, ein unglaubliches Spektrum an Themenkombinationen. Deswegen besteht auch viel leichter die Möglichkeit, von einem Jobprofil in ein anderes zu wechseln.

Gleichzeitig werden die Jobprofile in sich anspruchsvoller, zum Beispiel in der Produktion. Wir brauchen aufgrund neuer Technologien keine reinen „Knöpfchendrücker“ mehr, sondern Mitarbeiter, die Anlagen, Vorrichtungen, Prozesse, Produkte weiterentwickeln. Und damit sind wir beim nächsten Thema, dem lebenslangen Lernen. Die Älteren, also eher meine Generation, versteht so langsam dessen Notwendigkeit, bei den Jüngeren ist es schon in Fleisch und Blut übergegangen. Ein Beispiel: Wir haben festgestellt, dass alle Auszubildenden aus dem Jahr 2003 mittlerweile an ganz anderen Stellen bei uns arbeiten als zu Beginn ihrer Laufbahn. Hier sind natürlich die Unternehmen gefragt. Es reicht nicht aus, die Maschinen, die Hardware regelmäßig zu updaten, wir müssen auch in die Aus- und Weiterbildung investieren. Die Initiative der Mitarbeiter ist also der eine, die umfassende Unterstützung durch das Unternehmen der andere Pfeiler für ein erfolgreiches lebenslanges Lernen.

8. Wo sehen Sie unsere Sozialsysteme in 10 Jahren? Welche Rolle spielen dabei die Demografie und Digitalisierung?

Vor dem Hintergrund der Demografie und Digitalisierung liegt für mich vor allem eines auf der Hand: Wir werden älter, bleiben länger fit und werden daher auch länger arbeiten müssen. Mit Blick auf die Funktionsfähigkeit unseres Sozialsystems und auf die wirtschaftliche Rolle unserer Gesellschaft führt für mich daran kein Weg vorbei. Nicht umsonst werden bereits heute Arbeitsplätze unter ergonomischen Geschichtspunkten gestaltet, werden Rückzugsorte innerhalb des Unternehmens geschaffen, wird die Arbeit in Gruppen fokussiert oder sind Themen wie „work-life-balance“ und Stressreduktion wichtig, um das Arbeiten angenehmer und damit letztlich auch länger möglich zu machen.

9. Bitte vervollständigen Sie: Älter werden ist für mich …?

... eigentlich gar kein Thema. Es gehört einfach dazu und ist doch für jeden gleich – außer ein Unfall oder eine Krankheit kommen hinzu. Beruflich bin ich ebenfalls in einer komfortablen Situation: Als Profisportler ist meistens mit Mitte 30 Schluss. Ich habe einen Beruf, den ich theoretisch mein ganzes Leben lang ausüben kann. Das weiß ich durchaus zu schätzen.

Übertragen auf eine Firma halte ich hinsichtlich des Alters übrigens ein ausgewogenes Gefüge für wichtig. Bei BITZER sind wir mit einem Durchschnittsalter von 42 Jahren in einer guten Situation: Wir haben die Jungen, die den Kopf voller Ideen haben und damit gerne mal durch die Wand wollen. Wir verfügen über einen soliden Mittelbau, den Hauptantrieb unseres Unternehmens, in dem sich Ideen und Dynamik mit Realismus verbinden. Und wir haben die Älteren, die auch mal zu Vorsicht mahnen und Ruhe ins System bringen.

10. Was schätzen Sie am hiesigen Unternehmensstandort besonders?

Mit dem Standort Sindelfingen befinden wir uns im Einzugsgebiet von Stuttgart. Die guten Universitäten und Schulen, die gut ausgebaute Infrastruktur, das attraktive Freizeitangebot – das lockt natürlich qualifizierte Menschen und freut die ansässigen Firmen. Wenn wir jetzt das Werk Rottenburg nehmen, 30 Kilometer weiter südlich, ist es schon eine größere Herausforderung, Fachkräfte zu begeistern. Aber bislang können wir uns dank unseres guten Namens und Rufs als Arbeitgeber auch hier nicht beschweren. Dafür tun wir jedoch auch etwas. Beispielsweise sind wir an Schulen und in Vereinen rund um den Standort in Rottenburg präsent.

In Summe ist für mich die gesamte Region um Stuttgart eine der potentesten in ganz Europa. Hier sind das Wissen, die gesellschaftspolitische Stärke und der Wille vorhanden, wirtschaftlich global zu agieren. Zudem wirken aus Richtung des Schwarzwalds auch die traditionelle Bodenständigkeit und der berühmte Tüftlergeist hinein.

Über die BITZER Unternehmensgruppe

1934 wurde unter Martin Bitzer der "Apparatebau für Kältetechnik" in Sindelfingen gegründet. Im Jahr 1961 übernahmen Ulrich Schaufler, 1979 sein Sohn Peter, das nun "BITZER Kühlmaschinenbau GmbH" lautende Unternehmen. In dieser Zeit wurden mehr als 40 Tochtergesellschaften etabliert, darunter Produktionsstandorte in Deutschland, Portugal, China, Australien, Südafrika und den USA. Heute umfasst die BITZER Unternehmensgruppe 64 Standorte mit mehr als 3.500 Mitarbeitern. Die BITZER Gruppe ist in mehr als 90 Ländern vertreten und ihre Produkte kommen unter anderem bei der Klimatisierung von Innenräumen und in der Supermarktkühlung zum Einsatz.

 

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