Wolf: „Wir haben unsere Wettbewerbsvorteile wieder verspielt. Es ist daher die falsche Zeit für lohnpolitische Höhenflüge“

STUTTGART – Die Metallarbeitgeber in Baden-Württemberg haben die neuerlichen Einlassungen der Bundesbank zur Tarif- und Lohnpolitik scharf kritisiert*.

„Angesichts der konjunkturellen und strukturellen Rahmenbedingungen Lohnerhöhungen von deutlich mehr als drei Prozent das Wort zu reden, ist unverantwortlich“, sagte Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands SÜDWESTMETALL, am Mittwoch in Stuttgart: „Entgelt- und Tarifpolitik sind Sache der Tarifparteien. Falsche Ratschläge von außerhalb des Spielfelds sind unangemessen und schädlich. Eine Institution, die besonders großen Wert auf ihren Autonomiestatus legt, sollte dies eigentlich wissen.“

Wolf betonte, dass die Tarifpolitik kein geeignetes Instrument der Geldpolitik sei und nicht dazu beitragen könne, die von der EZB angestrebte Zielinflationsrate von zwei Prozent zu erreichen: „Das gilt umso mehr, da die aktuell niedrige Inflation zu einem wesentlichen Anteil auf die niedrigen Energie- und Rohstoffpreise zurückzuführen ist, worauf die Lohnpolitik nun gar keinen Einfluss hat.“ Die Argumentation übersehe zudem, dass es zum Beispiel den Unternehmen in der Industrie keineswegs gelinge, Preissteigerungen in dieser Höhe auf die Kunden zu überwälzen. „Die Folge wäre daher, dass die Lohnsteigerungen zu Lasten von Investitionen, Wachstum und Erträgen gingen“, sagte Wolf.

Das alte Kaufkraftargument sei mehrfach widerlegt und treffe auf eine exportorientierte Industrie gleich zweifach nicht zu. Übersehen werde dabei zudem, dass die Binnenkonjunktur und Nachfrage in Deutschland vor allem durch den deutlichen Aufbau von Beschäftigung, und nicht durch eine maßlose Entgeltentwicklung gestärkt worden sei, so Wolf: „Letztlich ist es eben besser, wenn viele Menschen mit etwas geringeren Lohnsteigerungen in Beschäftigung sind, als weniger Menschen mit kräftigen Lohnsteigerungen.“

Der SÜDWESTMETALL-Vorsitzende verwies weiter auf die Entwicklung der letzten Jahre in der Metall- und Elektroindustrie, die einerseits den Beschäftigten ein deutliches Plus im Geldbeutel, andererseits den Betrieben jedoch einen massiven Kostenschub beschert habe. Seit Beginn der Krise 2008/09 seien die Tariflöhne um knapp 20 Prozent angehoben worden, allein in den letzten drei Tarifrunden seit 2012 betrug die Steigerung 14 Prozent. Dem stand nur ein geringes Plus bei der Produktivität von zwei Prozent gegenüber, weshalb die für die Wettbewerbsfähigkeit relevanten Lohnstückkosten um mehr als 17 Prozent in die Höhe geschnellt sind. „Bei dieser Kennzahl steht Deutschland schlechter da als die meisten relevanten Wettbewerber, und der Trend ist weiterhin negativ. Die Wettbewerbsvorteile, die wir uns in dem davorliegenden Jahrzehnt erarbeitet haben, sind in den letzten Jahren vollständig aufgezehrt worden. Wir sind wieder auf dem Niveau Ende der 90er Jahre angelangt, als Deutschland als der ‚kranke Mann Europas‘ verhöhnt wurde“, sagte Wolf.

Die Folgen dieser Entwicklung seien bereits deutlich zu spüren. Insbesondere Produktionsarbeitsplätze seien in der baden-württembergischen Industrie in den letzten Jahren verloren gegangen. Die Produktion stagniere, zusätzliche Kapazitäten würden fast nur noch an den ausländischen Standorten der Unternehmen geschaffen. „Die fetten Jahre sind vorbei“, sagte Wolf: „Es ist die falsche Zeit für lohnpolitische Höhenflüge. Maß halten, um den Standort zu sichern, ist angesagt.“

* Das Wirtschaftsmagazin „Capital“ zitiert Kreise der Bundesbank-Führung mit den Worten „Wir wünschen uns eine starke Drei vor dem Komma in diesem Jahr“. Die Lohnentwicklung sei gerade 2015 hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Daher seien 2016 aus geldpolitischer Sicht noch kräftigere Zuwächse wünschenswert, hieß es weiter.

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