Tarifabschluss M+E-Industrie Baden-Württemberg

Die Metallarbeitgeber haben den Tarifabschluss in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie als „tragbaren Kompromiss mit schmerzhaften Elementen“ bewertet.

„Der Abschluss ermöglicht vielen unserer Betriebe mehr bedarfsgerechtes Arbeitszeitvolumen. Und wir haben bei den zusätzlichen Teilzeitansprüchen die betrieblichen Interessen hinreichend berücksichtigt. Damit haben wir wesentliche Verhandlungsziele erreicht und eine innovative Arbeitszeitwelt geschaffen“, sagte der Verhandlungsführer und Südwestmetall-Vorsitzende Dr. Stefan Wolf am Dienstag kurz nach Mitternacht nach der gut 13-stündigen 6. Verhandlung in Stuttgart: „Die Komplexität des Tarifergebnisses und die Höhe des Entgeltabschlusses sind allerdings eine Hypothek, die für viele Betriebe schwer zu tragen sein und durch die lange Laufzeit und die Planungssicherheit nur teilweise aufgefangen wird. Dass wir eine dauerhafte Differenzierungsmöglichkeit für solche Betriebe erreichen konnten, war daher immens wichtig.“

Ergebnisse im Überblick:

Die Tabellenentgelte werden zum 1. April 2018 um 4,3 Prozent erhöht, für die Monate Januar bis März gibt es eine Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro. Zudem sieht der neue Tarifvertrag Regelungen vor, die es vielen Betrieben erlauben werden, mit deutlich mehr Beschäftigten als heute 40-Stunden-Verträge abzuschließen. Im Gegenzug haben Beschäftigte künftig einen Anspruch, ihre Wochenarbeitszeit befristet auf bis zu 28 Stunden abzusenken. Die Unternehmen können das aber unter bestimmten Voraussetzungen ablehnen, etwa wenn es betrieblich nicht umsetzbar ist.

Ab 2019 wird es dann dauerhaft eine weitere Sonderzahlung, ein tarifliches Zusatzgeld („T-ZUG“) geben. Dieses setzt sich zusammen aus 27,54 Prozent eines Monatsentgelts sowie einem für alle Beschäftigten identischen Betrag (2019: 400 Euro). Letzterer kann betrieblich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten verschoben, abgesenkt oder gestrichen werden (dauerhafte Differenzierung). Beschäftigte mit einem privaten Betreuungsaufwand (Kinder, Pflege) und Schichtarbeiter erhalten zudem eine Wahloption zwischen Geld und Zeit: Sie können zwischen dem einen Baustein des T-ZUG (prozentuales Monatsentgelt) oder acht zusätzlichen freien Tagen wählen.

Öffnung des Arbeitszeitvolumens nach oben:

Als besonders positiv bewertete Wolf, dass es den Arbeitgebern gelungen sei, das Arbeitszeitvolumen nach oben zu öffnen: „Das war eine harte Nuss, weil die IG Metall nicht gewillt war, die tarifliche Quote aufzugeben, die die Zahl der Beschäftigten mit 40-Stunden-Vertrag auf 18 Prozent begrenzt. Dafür habe ich nach wie vor kein Verständnis.“ In der Summe seien aber ab 2019 nun viele andere Lösungen gefunden worden wie der erleichterte Zugang in die Sonderquoten oder der Wechsel in eine kollektive Volumenbetrachtung. „Diese Lösungen sind letztlich genauso viel Wert wie eine deutliche Anhebung der Quote“, sagte Wolf: „Zudem haben wir einen Bestandsschutz für Firmen erreicht, die in der bisherigen Quotenwelt gut zurechtgekommen sind.“

Teilzeitmöglichkeiten und Wahloption:

Mit dem neuen Anspruch auf eine befristete Teilzeit von 6 bis 24 Monaten seien die Arbeitgeber auch auf die Bedürfnisse der Beschäftigten eingegangen, sagte der Südwestmetall-Vorsitzende: „Dies hilft unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, berufliche und private Lasten gleichermaßen zu schultern. Das ist ein innovativer Tarifbaustein, der die Attraktivität der M+E-Betriebe als moderne Arbeitgeber unter Beweis stellt.“ Dazu gehöre auch eine tarifliche Rahmenvereinbarung zum mobilen Arbeiten sowie die Wahlmöglichkeit zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit ab 2019. „Mit dieser Lösung haben wir die ursprüngliche Zuschussforderung der IG Metall, die wir aus rechtlichen Gründen gar nicht erfüllen konnten, vom Tisch bekommen“, sagte Wolf: „Das gesamte neue Tarifsystem scheint vernünftig ausbalanciert zu sein: Beschäftigte erhalten mehr Möglichkeiten, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, die Betriebe mehr Optionen, das Arbeitszeitvolumen zu erhöhen. Das birgt allerdings neben Chancen auch Risiken. Wir werden diese neuen Reglungen daher in zwei Jahren sehr genau evaluieren, wie sie sich in der betrieblichen Praxis bewähren und ob sie für die Unternehmen überhaupt handhabbar sind.“

Die Verhandlungsergebnisse im Einzelnen:

  • Laufzeit des Tarifvertrags: 27 Monate (1. Januar 2018 – 31. März 2020)
  • Erhöhung der Tabellenentgelte um 4,3 Prozent zum 1. April 2018
  • Einmalzahlung für die Monate Januar bis März in Höhe von 100 € (Auszahlung im März)
  • 2019 Einführung eines tariflichen Zusatzgeldes („T-ZUG“) in Höhe von 27,54 Prozent eines Monatsentgelts, auszahlbar im Juli; ein weiterer T-ZUG-Bestandteil, ein für alle Beschäftigten identischer Betrag (2019: 400 Euro) kann 2019 und auch in den Folgejahren verschoben, reduziert oder ganz gestrichen werden (dauerhafte Differenzierung)
  • Beschäftigte mit erhöhten privaten und beruflichen Belastungen (Kinder bis 8 Jahren, häusliche Pflege von Angehörigen ersten Grades mit mindestens Pflegegrad 1, Schichtarbeiter ab bestimmter Dauer in Schichtarbeit sowie bestimmter Betriebszugehörigkeit) können statt dem prozentualen Monatsentgelt des T-ZUG auch acht freie Tage wählen (für Eltern und Pflegende maximal zweimal pro Kind und Pflegefall)
  • Anspruch für alle Beschäftigten auf befristete Teilzeit mit Rückkehrrecht in Vollzeit: begrenzt auf 6 bis 24 Monate und Absenkung auf bis zu 28 Wochenstunden; Ablehnung aus betrieblichen Gründen möglich (z.B. Verlust von Schlüsselqualifikationen, Überlastungsquote von zehn Prozent aller Beschäftigten in „verkürzter Vollzeit“ bzw. 18 Prozent in Teilzeit insgesamt)
  • Beibehaltung der Quote von maximal 18 Prozent Beschäftigte, mit denen 40-Stunden-Verträge vereinbart werden dürfen
  • Möglichkeit einer Quotenanhebung auf 30 Prozent per Betriebsvereinbarung, wenn ein Fachkräftemangel nachgewiesen werden kann (bisher nur durch freiwillige Betriebsvereinbarung zur Begrenzung des Einsatzes von Zeitarbeit möglich)
  • Möglichkeit einer Quotenanhebung auf 50 Prozent („Strukturquote“) für Technologiebetriebe per Betriebsvereinbarung, wenn im Betrieb mind. 50 Prozent der Beschäftigten in der Entgeltgruppe 12 (bisher: EG14) oder höher eingestuft sind; Widerspruchsrecht des Betriebsrates bei allen drei Quoten, bei 18-Prozent-Quote erst, wenn diese um vier Prozentpunkte überschritten ist
  • Möglichkeit für die Betriebe, statt einer Quotenregelung auf ein Modell eines „kollektiven betrieblichen Arbeitszeitvolumens“ zu wechseln; Festlegung dieses kollektiven Volumens auf durchschnittlich 35,9 Stunden pro Woche (ergibt sich aus 18 Prozent 40-Stünder und 82 Prozent 35-Stünder); Wechsel auch aus Quotenmodellen 30 & 50% möglich (kollektives Volumen dann 36,5 bzw. 37,5 Stunden); Effekt: Jeder Teilzeitbeschäftigte eröffnet Möglichkeit für zusätzliche 40-Stunden-Verträge (Bsp.: Ein Teilzeiter 20h (15 Stunden weniger) ermöglicht 3 zusätzliche 40-Stünder (3 x 5 Stunden mehr); Widerspruchsrecht des Betriebsrats auch bei Überschreitung des kollektiven Volumens
  • Betriebe, die mit der heutigen Quotenwelt gut leben können, können Verbleib in der „alten Tarifwelt“ erklären
  • Möglichkeit für die Betriebe, im Einvernehmen mit dem Betriebsrat aus Zeitkonten bis zu 50 Stunden pro Jahr per Auszahlung auszubuchen (entspricht rechnerisch pro Woche gut einer Stunde mehr Volumen)
  • Tarifliche Rahmenregelung für freiwilligen Betriebsvereinbarungen zu „mobilem Arbeiten“
  • Ein zusätzlicher Freistellungstag für Auszubildende vor Prüfungen
  • Selbstverpflichtung zur Modernisierung und zeitgemäßen sowie rechtssicheren Anpassung der sechs bestehenden Manteltarifverträge in Baden-Württemberg mit dem Ziel, sie in einen einheitlichen Manteltarifvertrag für alle drei Tarifgebiete zu überführen
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