Bei Transformation gilt: Weiterbildung ist Pflicht, keine Kür

Wer sich in einer digitalen Welt nicht weiterbildet, riskiert langfristig seinen Arbeitsplatz. Die Lösung: lebenslanges Lernen. Dies gilt für An- und Ungelernte genauso wie für Facharbeiter oder Ingenieure. Klar ist: Nur wer jetzt agiert, sichert seine Beschäftigungsfähigkeit von morgen!

Der Wandel klopft nicht erst an der Tür, er hat das Berufsleben schon längst durchdrungen. Viele fürchten sich vor den damit einhergehenden Veränderungen, möchten an Bisherigem, Bekanntem festhalten. Das ist menschlich, das ist normal – leider aber nicht zielführend. Denn der Zug hin zu einer neuen Arbeitswelt lässt sich nicht aufhalten. Daher heißt die Devise, schnellstmöglich aufzuspringen und Teil der Veränderung zu werden. Wie? Indem man sich bedarfsgerecht weiterbildet. Weiterbildung muss selbstverständlicher Teil einer jeden beruflichen Vita sein. Dies gilt für An- und Ungelernte genauso wie für Facharbeiter oder Ingenieure.

„Die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt werden zunehmend sichtbar. (...) Um mit diesen Änderungen Schritt zu halten und die individuellen Erwerbschancen zu wahren, wird lebenslanges Lernen immer wichtiger – insbesondere für Beschäftigte mit einem hohen Anteil an Routinetätigkeiten.“ IAB

Weiterbildung muss zum Bedarf passen

Aus der Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) zur Zukunft der Arbeitsplätze 2018 geht hervor, dass 58 Prozent aller Beschäftigten bis 2025 eine Neu- und Weiterqualifizierung benötigen werden, 19 Prozent davon sind auf eine zusätzliche Ausbildung oder Umschulung angewiesen. Dabei geht es nicht um Weiterbildung für den Aufstieg, sondern um Weiterbildung für den Joberhalt.

Leider ist der aktuelle Status beim Thema Weiterbildung nicht optimal: So zeigen mehrere Studien, dass sich beispielsweise „Beschäftigte mit hohen Anteilen an Routinetätigkeiten“, also Beschäftigte, deren Aufgaben das größte Substituierbarkeitspotenzial zugesprochen wird, unterdurchschnittlich an Weiterbildungsangeboten beteiligen.

Weiterbildung nach Art der Arbeit

Beschäftigte mit hohem Anteil an Routine-Arbeit bilden sich laut IAB weniger oft weiter.

Auch wird sich häufig aus den falschen Gründen weitergebildet. Laut der Studie zum Weiterbildungsverhalten in Deutschland 2016 bildeten sich im Untersuchungszeitraum nur 17 Prozent der Beschäftigten wegen organisatorischer/technischer Veränderungen bei der Arbeit fort.

In Zukunft wird es für jeden einzelnen Mitarbeiter unumgänglich sein, sich auf Veränderungen einzustellen und mit neuen Anforderungen Schritt zu halten. Dies macht nicht halt bei rein technischen Qualifizierungsmaßnahmen, sondern kann erfordern, sich ganz neuen Herausforderungen zu stellen.

Beispiele gibt es schon heute: So muss sich der Zerspanungsmechaniker plötzlich mit Hochvolttechnik und IT-Themen auseinandersetzen. Oder wirft man einen Blick auf die Beschäftigten in der Buchhaltung: Sie sehen sich mit der Digitalisierung vielen automatisierten Prozessen gegenüber, die einen Teil ihrer bisherigen Arbeit obsolet machen. Gleichzeitig müssen sie nun die neuen, automatisierten Prozesse überwachen und die dazugehörigen Parameter einstellen können.

Unternehmen bilden umfassend fort – Beispiele

Unternehmen, die ihre Beschäftigten gezielt unterstützen, gibt es dabei zuhauf. Zum Beispiel der Automobilzulieferer ElringKlinger, der seine Beschäftigten – und zwar unterschiedlichsten Qualifikationsniveaus – fit für den Bereich Batterietechnologie/Elektrotechnik machen möchte. Hierzu wird derzeit eine große Weiterbildungskampagne geplant, da der größte Teil der bestehenden Belegschaft eine mechanische Ausbildung vorzuweisen hat.

Ein weiteres Beispiel liefert Continental. Der Automobilzulieferer hat zwischen 10.000 und 12.000 un- oder angelernte Mitarbeiter; das entspricht rund 20 Prozent der Beschäftigten des Konzerns in Deutschland. Doch „Einfachtätigkeiten werden drastisch reduziert“, betonte in einem Interview Ariane Reinhart, die Personalchefin von Continental. Deswegen müssten die Beschäftigten rechtzeitig auf die Herausforderungen von morgen vorbereitet werden, wenn die Autos nicht mehr mit Verbrennungs-, sondern mit Elektromotor fahren und die Maschinen digital miteinander vernetzt sind.

Ein Großunterfangen – unter Zeitdruck. Denn die Transformation kommt schneller als viele erwartet hätten. So hat Brüssel beispielsweise die Grenzwerte für den CO-Ausstoß verschärft und viele Conti-Kunden geben bei der Umstellung auf Elektroautos Gas. Continental hat dennoch rechtzeitig reagiert und könnte (!) die Mitarbeiter umqualifizieren. Allerdings: „Vor zwei Jahren haben wir ein Pilotprojekt in Regensburg gestartet. Von den 1400 Ungelernten haben sich nur 30 für das Angebot interessiert".

Gezielte Entwicklung Geringqualifizierter

Neben Continental haben 89 Prozent der Unternehmen, die Geringqualifizierte beschäftigen, in den letzten fünf Jahren mindestens eine Weiterbildungsmaßnahme für diese Zielgruppe angeboten (IW-Trend 1/2019). Bei 44 Prozent handelte es sich dabei um eine Maßnahme zur Förderung der arbeitsplatzorientierten Grundbildung. Denn der Zugang zu fachlichen Qualifizierungen ist eingeschränkt, wenn grundlegende Kompetenzen nicht vorhanden sind – zum Beispiel ausreichende Lese- und Schreibkenntnisse oder Lernkompetenz.

Vielleicht zeigt die aktuelle Weiterbildungserhebung (2018) auch wegen des hohen Engagements der Arbeitgeber bei den An- und Ungelernten einen Anstieg bei Weiterbildung (von 39 Prozent im Jahr 2016 auf 42 Prozent im Jahr 2018) und lässt auf eine Wende hoffen. Denn: Jedes Angebot hat erst dann Sinn, wenn es mit Leben gefüllt wird. Und natürlich fällt es vielen schwer, nach 15 Jahren wieder die Schulbank zu drücken. Das ist verständlich. Doch Weiterbildung ist längst keine Kür mehr, sie ist Pflicht. Zumindest wenn man in der Arbeitswelt von morgen noch einen Job haben will.

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