Vorstandsvorsitzender Dr. Stefan Wolf vor der Presse bei der ersten M+E Tarifverhandlung 2018
Die Metallarbeitgeber haben zum Auftakt der Tarifverhandlungen für die rund 900.000 Beschäftigten in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie (M+E) der IG Metall ihre Forderungen zur Modernisierung der Arbeitszeit präsentiert.
Die Sozialpartner bei der ersten M+E Tarifverhandlung 2018
Dabei greifen wir sowohl die Bedarfe der Betriebe als auch die Wünsche vieler Beschäftigter auf und leisten damit einen Beitrag, gute und sichere Arbeitsplätze in Deutschland zu halten, sagte der Vorsitzende des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, Dr. Stefan Wolf, am Dienstag nach der ersten Verhandlungsrunde in Böblingen: Die Forderungen, die uns die IG Metall heute präsentiert hat, sind dagegen zu teuer, ungerecht und sie werden unserer gemeinsamen Verantwortung bei der Sicherung der Jobs nicht gerecht.
Immer mehr Betriebe klagten angesichts knapper Fachkräfte darüber, dass Aufträge liegen bleiben oder Entwicklungen sich verzögerten. Konkret fordern die Metallarbeitgeber daher für die Betriebe die Möglichkeit, bei Bedarf die Arbeitszeit mit den Beschäftigten individuell, ohne Mehrkosten und ohne Quotenregelungen auch über 35 Stunden pro Woche hinaus vereinbaren zu können. Die 35-Stunden-Woche könne dabei die tarifliche Anker-Arbeitszeit bleiben. Wir wollen keine generelle Arbeitszeitverlängerung. Aber die Betriebe müssen die Chance bekommen, sich befristet oder dauerhaft mehr Arbeitszeitvolumen zu verschaffen, wenn es benötigt wird und wenn die Beschäftigten dies mittragen. Auch eine kollektive betriebliche Vereinbarung, bei Bedarf die Arbeitszeit zu verlängern und das Entgelt entsprechend zu erhöhen, müsse möglich sein.
Viele Beschäftigte hätten den Wunsch nach mehr Geld und wären auch bereit, dafür länger zu arbeiten, sagte Wolf. Dies dürften aufgrund einer tariflichen Quote aktuell jedoch nur bis zu 18 Prozent der Beschäftigten. Diese Regelung stammt aus einer Zeit wachsender Arbeitslosigkeit. Angesichts zunehmender Fachkräfteengpässe passt sie nicht mehr in die Zeit, kritisierte der Südwestmetall-Vorsitzende: Letztlich verweigert die IG Metall auch 82 Prozent der Beschäftigten, mehr zu verdienen. Warum? Stattdessen fordere sie nur ein einseitiges Recht der Arbeitnehmer, die Arbeitszeit abzusenken. Wie das fehlende Volumen angesichts leergefegter Arbeitsmärkte ausgeglichen werden soll, verrät sie nicht. Wir können über Reduzierung in bestimmten Situationen aber erst reden, wenn uns die Öffnung nach oben gelungen ist.
Auch die Zuschlagslogik in der M+E-Industrie will Südwestmetall auf den Prüfstand stellen. Diese stamme aus einer anderen Arbeitswelt mit Zeitmodellen, in denen Volumen und Lage der Arbeitszeit noch stärker reglementiert und durch den Arbeitgeber vorgegeben waren. Heute wird dies vielfach den Wünschen der Beschäftigten und den Anforderungen der Betriebe nicht mehr gerecht, sagte Wolf. Als Beispiel nannte er den Mitarbeiter, der aus privaten Gründen lieber nachmittags freinehmen und dann am Abend die fehlenden Stunden nacharbeiten wolle. Diesem stehe dann ab 19 Uhr tariflich 30 Prozent Nachtzuschlag zu. Da ist kaum ein Betrieb bereit, das zu akzeptieren, so Wolf: Es muss doch klar sein, dass es keine Zuschläge gibt, wenn der Beschäftigte selbst bestimmen kann, wann er arbeitet. Die Metallarbeitgeber wollen diese Tarifrunde auch dazu nutzen, weitere Bestimmungen des Manteltarifvertrags zu modernisieren.
Wolf betonte, angesichts der ordentlichen konjunkturellen Lage dürften die Beschäftigten auch in dieser Tarifrunde damit rechnen, dass sie angemessen vom Erfolg ihres Unternehmens profitieren werden: Allerdings steht unsere Industrie auch vor gewaltigen Umwälzungen und Herausforderungen wie Digitalisierung, Elektromobilität, Globalisierung oder Fachkräftemangel. Da wird kaum ein Stein auf dem anderen bleiben. Viele Tätigkeiten würden sich stark verändern, manche wegfallen, neue entstehen. Schon heute fällt es vielen Unternehmen schwer, die enormen Investitionen zu tätigen, damit diese Jobs bei uns entstehen und nicht anderswo. Durch die überzogenen Forderungen der IG Metall würde das nahezu unmöglich gemacht, warnte Wolf.
Kein Verständnis zeigte Wolf für die Forderung der IG Metall, bei verkürzter Arbeitszeit für bestimmte Beschäftigtengruppen einen teilweisen Entgeltausgleich zu bezahlen: Schon die Begründung, dass unsere Beschäftigten sich das sonst nicht leisten könnten, leuchtet mir nicht ein. Unsere Facharbeiter verdienen bei 28 Stunden mehr als jede Verkäuferin im Einzelhandel, jede Arzthelferin und wohl auch die meisten Krankenschwestern bei 40 Stunden. Die Forderung breche aber auch mit dem Prinzip, wer mehr arbeite, bekomme entsprechend mehr, wer weniger arbeite, entsprechend weniger: Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wie erkläre ich einer Mutter, die schon heute in Teilzeit arbeitet, dass sie keinen Ausgleich bekommt, ihr männlicher Kollege aber künftig 200 Euro mehr als sie erhält bei gleicher Arbeitszeit? Das geht nicht. Die IG Metall sollte sich an unsere gemeinsame Verantwortung für sichere, aber auch gerechte Arbeit erinnern.
Forderungen der M+E-Arbeitgeber für die Tarifrunde 2018
Der Wandel der Arbeitswelt im Zuge von Globalisierung, Digitalisierung und der wachsenden Dienstleistungsintensität in den Unternehmen macht aus Sicht der Arbeitgeber Änderungen in der Regelung der Arbeitszeit dringend erforderlich. Die bestehenden Arbeitszeitregelungen in den Manteltarifverträgen wurden in einer Zeit vereinbart, die von Massenarbeitslosigkeit geprägt war. Heute sieht die Welt völlig anders aus. Die Bedarfe der Unternehmen und die Bedürfnisse der Arbeitnehmer nach mehr Selbstbestimmung sind neu auszutarieren. Daraus ergeben sich unsere Forderungen zur Arbeitszeit in der Tarifrunde 2018:
Mehr Volumen: bedarfsgerecht und kostenneutral
Wir fordern die Ermöglichung individueller befristeter oder unbefristeter Arbeitszeitvereinbarungen ohne Quotenbeschränkung auch oberhalb von 35 Stunden pro Woche.
- Die in den Manteltarifverträgen enthaltene Beschränkung für individualvertragliche Erhöhungen der regelmäßigen Wochenarbeitszeit auf über 35 Stunden passt nicht in die moderne Arbeitszeitwelt.
- Viele Beschäftigte wünschen sich eine Arbeitszeit dauerhaft oder vorübergehend über 35 Stunden pro Woche. Dies hat auch die Beschäftigtenumfrage der IG Metall ergeben.
- Hinzu kommt: Entgeltforderungen von hochqualifizierten Bewerbern können häufig nur über die Vereinbarung von 40-Stundenverträgen entsprochen werden.
- Wünschen von Beschäftigten nach Arbeitszeitreduzierung, kann heute schon ohne Begrenzung entsprochen werden. Dies muss auch für die nach oben gelten.
Mehr kollektives Arbeitsvolumen
Wir fordern eine tarifliche Regelung, die eine kollektive, bedarfsbedingte vorübergehende Erhöhung der Arbeitszeit bei entsprechendem zuschlagsfreien Entgeltausgleich außerhalb von Mehrarbeit durch Betriebsvereinbarung ermöglicht.
- Wir kennen heute schon den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung, der bei vorübergehenden Beschäftigungsproblemen die Möglichkeit bietet, die Arbeitszeit vorübergehend kollektiv zu senken. Dieses Instrument hat sich in der Praxis bewährt.
- Für Zeiten, in denen ein situationsbedingter Bedarf nach einem erhöhten Arbeitszeitvolumen besteht, z. B. bei guter Sonderkonjunktur, dem Eingang außergewöhnlicher Großaufträge oder Phasen vollgelaufener Arbeitszeitkonten, muss ein spiegelbildliches Instrument geschaffen werden, das außerhalb der Mehrarbeit in umgekehrter Richtung wirkt.
Arbeitszeit Anpassung bestehender Regelungen
Wir fordern einen tariflichen Rahmen, der die Voraussetzungen für Zeitzuschläge und deren Höhe so ausgestaltet, dass dies den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit im globalen Umfeld unterstützt. Dies beinhaltet auch eine tarifliche Klarstellung, dass Zeitzuschläge nicht anfallen, wenn der Beschäftigte selbst die Lage der Arbeitszeit bestimmen kann.
- Die heutige Zuschlagslogik basiert auf Zeitmodellen, in denen Volumen und Lage der Arbeitszeit stark reglementiert und durch den Arbeitgeber vorgegeben waren.
- Diese Logik ist in Zeiten des weltweit abgestimmten Arbeitens und steigender Flexibilitätsbedürfnisse vieler Beschäftigten bezüglich der Lage der Arbeitszeit nicht mehr tragfähig.
Arbeitszeit - Erweiterte Gestaltungsmöglichkeiten
Wir fordern, die Möglichkeiten/Dauer der sachgrundlosen Befristungen im Rahmen der Öffnungsklausel im Teilzeit- und Befristungsgesetz zu erweitern.
- Je mehr Flexibilität den Beschäftigten bei der Arbeitszeit zukommt, desto mehr flexible Reaktionsmöglichkeiten brauchen auch die Unternehmen.
- Eine dieser Reaktionsmöglichkeiten ist die sachgrundlose Befristung. Hier hat der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien Gestaltungsraum für eine Erweiterung zugestanden.
Arbeitszeit gesetzlichen Regelungen
Wir fordern ein gemeinsames Zugehen auf den Gesetzgeber mit dem Ziel einer Anpassung des Arbeitszeitgesetzes z. B. dahingehend, dass die tägliche durch eine wöchentliche Maximalarbeitszeit ersetzt sowie klargestellt wird, dass eine Mindestruhezeit bei der selbstgewählten Lage der Arbeitszeit nicht eingehalten werden muss und kurzfristige Unterbrechungen die Mindestruhezeit nicht neu in Lauf setzen.
- Der bestehende gesetzliche Rahmen des Arbeitszeitgesetzes beschränkt Unternehmen und Beschäftigte an der Umsetzung flexibler Arbeitszeitmodelle.
- Durch die Änderung sollen nicht Schutzstandards verdrängt oder Gesundheitsgefahren riskiert werden, sondern Flexibilität und eigenbestimmtes Arbeiten gefördert werden.
- Mit einem entsprechenden Konsens kann gemeinsam auf die neue Regierung zugegangen werden.
Manteltarifvertrag Modernisierung im Übrigen
Wir fordern eine Anpassung überkommener Regelungen an die heutigen Rahmenbedingungen modernen Wirtschaftens.
- Einige tarifliche Regelungen, die in der alten Industriewelt nachvollziehbar waren, sind heute sehr anpassungsbedürftig.
- Durch tatsächliche, tarifliche und gesetzliche, zum Teil massive Änderungen besteht hier ein deutlicher tariflicher Anpassungsbedarf.
li_auftakt_tarifrunde_2018.html